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Kruzifix

Kruzifix

Titel: Kruzifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xaver Maria Gwaltinger
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dringend ein Bier.
    »Herz ist Trumpf!«
    Peng.
    Wumm.
    Peng.
    »G’hört schon mir.«
    Dresch.
    Knall.
    Dann gaaanz sachte auf den Tisch geschoben, schrie einer:
    »Schelln-Sau!«
    »Nix da. Die Alte-Sau hat’s!«
    Die Karten wurden neu gemischt, die Spieler tranken von dem angewärmten Prostatabier.
    »Die Schelln-Sau, die schwule … den Datschi hat’s derwischt!«
    »Geh zu … jetzt, wo er hin ist …«
    »A schwule Sau war er trotzdem.«
    »Woher willst denn du das wissen?«
    »Weil er nicht verheiratet war.«
    »Die katholischen Priester sind alle nicht verheiratet. Keiner.«
    »Drum sind’s ja alle a schwule Sau!«
    Lachen. Das Lachen des zweiten Bieres. Die Karten wurden wieder ausgeteilt.
    »War er wirklich schwul?«, fragte einer.
    »Manche sagen es … Manche sagen, er ist vor drei Jahr hierher strafversetzt worden, weil er schwul war.«
    »Glaub ich nicht. Dem sind doch die Weiber nachgelaufen … alle!«
    »Die Weiber laufen doch alle den Schwulen nach. Die Weiber stehen auf die Schwulen. Die sind so ›einfühlsam‹.«
    Er sprach »einfühlsam« aus, als hätte er eine heiße Kartoffel im Mund.
    »Ja, am Arsch!«
    Gelächter.
    Maria, die rote Wirtin, erschien wie eine Furie. Sie sprach ein Machtwort:
    »Also jetzt, gell, jetzt langt’s. Das ist ein öffentliches Lokal, und heut ist Sonntag und der Theo ist tot … da sagt man nicht solchene Sachen …«
    Ihre Stimme wurde dünn und weinerlich. Sie drehte sich rechtzeitig um und verschwand in der Küche.
    Als sie wiederkam, hatte sie rote Augen. Endlich entdeckte sie mich.
    »A Bier bittschön. Ich bin schon am Verdursten.«
    Sie drehte sich wortlos zur Theke, nahm eine Flasche aus dem Kühlschrank und schenkte ein.
    »Kein Bier vom Fass heut?«, fragte ich sie, als sie mir das Glas mit dem schwindsüchtigen Schaum hinstellte.
    »Lohnt sich nimmer. Unter der Woche kommt kaum einer, und am Ende ist das Fass schal. Und wenn es Samstag, Sonntag regnet, kommt auch keiner. Es wird alles immer schlimmer.«
    »Ja, da haben S’ recht. Es wird alles immer schlimmer. Sogar die Kirch am Sonntag fällt aus. Priester sterben vor der Messe. Früher hat’s so was nicht gegeben …«
    »Ach, der Theo …«
    Ihre Augen wurden wieder feucht.
    »War wohl sehr beliebt, der Theo …«
    Sie nickte.
    »Sehr …«
    »Darum sagen die Männer wohl auch Datschi. Wie heißt er denn wirklich?«
    Sie senkte die Stimme.
    »Die Arschlöcher … die ham keine Ahnung. Sie sagen Datschi und finden es lustig. Amadagio hat er geheißen. Theodor Amadagio. Aber die alten Wichser hier können das nicht aussprechen. Amadagio. «
    Sie ließ sich den »Amadagio« auf der Zunge zergehen. Ich musste unanständige Phantasien verscheuchen. Fragte:
    »Und, war er schwul?«
    Sie schaute mich erstaunt an:
    »Der … schwul?! Ha! Wenn der schwul war, bin ich …«
    Ich erfuhr nicht mehr, was sie dann wäre, sie drehte sich um und schepperte an der Theke gegen das Schafkopfgeklopfe der alten Wichser an.
    Das Bier war schal geworden. Ich hatte keinen Durst auf ein zweites.
    »Zahlen«, sagte ich in Richtung Theke.
    Ich geh rauf, dachte ich, trink ein richtiges Bier. Augustiner Edelstoff. Bestes Bier von Welt. Kellerkühl.
    Auf einmal öffnete sich die Tür.
    Ein Mann mit Pferdeschwanz trat ein. Mittelalter. Mitte vierzig. Augen wie glühende Kohlen. Tiefgelegt. Dürr, aber athletisch. Muskulös. Kein Gramm Fett. Trachtenweste, Lederhose, Sandalen. Passt doch nicht!, dachte ich. Ein Asket als Allgäuer verkleidet oder ein Allgäuer als Asket verkleidet.
    Er stellte sich zu den Kartlern.
    »Grüßt’s euch.«
    »Der Toni!«
    Die Begrüßung war schal wie das Bier.
    Einer sagte zwischen zwei hingeworfene Karten:
    »Der Toni tragt den Schwanz hinten statt vorn.«
    Und lachte.
    Die anderen lachten mit.
    Toni packte ein Weizenglas, zerschlug es an der Tischkante, der Weißbierschaum spritzte über die Karten. Der Toni richtete das zersplitterte Glas wie ein Messer gegen den Typen, der die Bemerkung mit dem Schwanz hinten gemacht hatte.
    »Was hast g’sagt?!«
    Stille.
    Starre.
    Leichenstarre.
    Ich spürte mein Herz im Hals schlagen.
    »Was hast g’sagt?«, wiederholte der Toni.
    Schräge Stimme, irr leuchtender Blick. Zersplittertes Weizenglas in der Hand. Die Hand zitterte.
    »Sag’s noch mal!«

Sabbat
    Ich schritt in der Frühsommersonne langsam den Berg hinauf, auf der schmalen Asphaltstraße mit den vielen Frostrissen, aus denen das Gras wuchs. Glattgefahrene Kuhfladen. Zerquetschte

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