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Kühlfach vier

Titel: Kühlfach vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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Geldsäcke, deren
     fahrbare Untersätze auf dem Parkplatz standen, traten gerade in Zinnsoldatenmanier und dreiteiliger Einheitskleidung vor die
     Tür, als ich den Motor startete. Nun ist der Sound, den ein SLR macht, nicht mit dem eines beliebigen Zweit- oder Drittwagens
     zu verwechseln, also drehten sich fünfzig Köpfe zu mir um, als ich die Kiste aus der Parkbucht jagte. Im Rückspiegel konnte
     ich noch eine angedeutete La-Ola-Welle erkennen, als neunundvierzig Arme in meine Richtung zeigten und eine Hand in die Jacketttasche
     fuhr, vermutlich um ein Handy rauszuholen und die Bullen zu rufen. Aber dann verlor ich das Interesse an der Szene hinter
     mir und konzentrierte mich darauf, mein neues Gefährt zügig |13| , aber nicht zu schnell durch die dunkle Innenstadt Richtung Autobahnauffahrt zu lenken. In der Rushhour an einem Winterabend
     bei Dunkelheit und eisigem Nieselregen verschwindet selbst ein Vierzigtonner schneller im Gewühl als ein Nichtschwimmer im
     Niagarafall, und in dem Moment hätte ich glatt glauben können, dass alles gut wird.
     
    Ich widerstand der Versuchung, zu schnell zu fahren, andere Fahrer zu nötigen, rechts zu überholen, die Spur im letzten Moment
     vor dem Abbiegen zu wechseln und allen anderen Verlockungen, die Autofahren erst richtig hypertonisch krokofantös machen,
     denn ich wollte ja nicht auffallen. Wenn man in einem geklauten Auto sitzt, sollte man korrekter fahren als bei der Führerscheinprüfung.
     Ich hielt mich dran. Ich brauchte siebenundzwanzig Minuten bis zu dem vereinbarten Treffpunkt, war fünfundvierzig Sekunden
     vor der vereinbarten Zeit da. Mist! Ich hätte noch ein paar Minuten Zeit gebraucht, denn bevor man eine geklaute Karre weiterreicht,
     macht man sie leer. Man sucht alles aus Handschuhfach, Ablagen, Kofferraum und unter den Sitzen hervor, was man noch selbst
     brauchen oder anderweitig verticken kann. Jetzt war der Turbodurchgang gefragt. Handschuhfach: Straßenkarten, Knebelsäcke,
     Sonnenbrille, Schreibset. Unter den Sitzen: ein Bündel Geldscheine, Summe auf die Schnelle nicht feststellbar, egal, einstecken.
     Im Kofferraum: eine nackte Frau.
    Ich schlug den Kofferraumdeckel zu, hyperventilierte ein bisschen, öffnete die Klappe wieder und sah sie immer noch dort liegen.
     Halb auf dem Rücken, die Knie voll angewinkelt, die Arme neben dem Körper, den Kopf etwas zur |14| Seite gedreht. Sie war klein und zierlich, füllte den winzigen Kofferraum aber total aus. Ich stupste sie mit dem Finger an,
     sie war eiskalt. Ich schob den einen Arm ein bisschen zur Seite und bekam einen riesigen Schreck, als ich die violette Unterseite
     des Arms sah. Ich legte einen Finger an die Stelle, an der ich die Halsschlagader vermutete: nichts. Sie hatte Tätowierungen
     um die Fußknöchel, sie war ziemlich hübsch, wenn auch leider dick geschminkt, und sie war mausetot. Ich schloss den Kofferraumdeckel
     wieder über ihr, vorsichtig, als ob es ihr etwas ausgemacht hätte, wenn ich das Ding mit einem lauten Knall zuschlug. Dann
     lehnte ich mich an die Fahrertür, fummelte eine Zigarette aus der Jacke, zündete sie an und inhalierte so tief, dass die halbe
     Fluppe mit einem Mal weg war.
    Ich musste sie wegschalten. Die Frau, nicht die Kippe. Man gibt einem Autoschieber kein Auto mit einer Leiche im Kofferraum,
     noch nicht einmal, wenn es ein SLR ist. Oder erst recht nicht einen SLR? Ich war verwirrt, aber ich wusste, dass die Frau
     verschwinden musste. Freiwillig würde sie mir den Gefallen nicht tun, also war es Zeit, dass ich mir eine wirklich schlaue
     Lösung für dieses wirklich ungewöhnliche Problem einfallen ließ, und zwar rapido. Ich nahm noch einen sehr tiefen Zug, warf
     die Kippe weg und wollte einsteigen, als ich eine Hand auf der Schulter spürte. Ich zuckte so heftig zusammen, dass ich mir
     das Kinn am Wagendach anschlug.
    »Hey, Pascha, du bist pünktlich. Das ist gut.«
    Der Typ, der mich da begriffelte und mir mit seinem Pädagogengewäsch kam, hieß Kevin, trug einen Kinnbart, der aussah, als
     hätte seine Freundin ihm den mit einem feinen Eyeliner auf den Kiefer gemalt und grinste |15| ständig. Vielleicht litt er an Gesichtslähmung. Ich fand ihn jedenfalls immer widerlich und jetzt erst recht. Er hielt die
     Hand auf.
    Ich japste nach Luft und jaulte auf, weil ich mir nicht nur das Kinn angestoßen, sondern auch noch auf die Zunge gebissen
     hatte, und überlegte krampfhaft, was ich noch tun könnte, um erst die Leiche aus dem Auto

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