Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
damit
zu tun?«
»Ich habe mich über das Verlagsgeschäft informiert«, erklärte Martin mir immer noch mit ungebremster Begeisterung. »Wenn ein
Buch Erfolg haben soll, dann muss der Autor Werbung dafür machen. Interviews geben, Lesungen machen, solche Sachen. Das kannst
du ja nicht selbst tun.«
Hm, da hatte er recht.
»Und ich schaffe es schon allein zeitlich nicht.«
Geht’s noch? Martin, der Oberpeinoriesenproblemiker ging ja wohl gar nicht.
»Also muss es jemand ganz Fremdes sein.«
»Dagegen ist nichts einzuwenden«, erklärte ich. »Aber doch keine TUSSI.«
»Eine Frau ist die einzig mögliche Lösung unseres Problems.«
»Eine Tussi kann doch nicht diese knallharten Fakten aus der Sicht des supercoolen Helden schreiben«, maulte ich.
»Doch, genau«, erklärte Martin. »Weil dann alle Leute denken, dass die ganze Sache nur ein Roman ist.«
Das musste ich erst mal verdauen. Die Leute sollten denken, eine TUSSI hätte sich meine Heldentaten nur AUSGEDACHT? Niemand
würde wissen, dass es mich wirklich gibt? Und wenn keiner schnallt, dass es mich wirklich gibt, dann wird auch niemand seine
Hirnwindungen auf Empfang schalten, wenn er in der Nähe des Rechtsmedizinischen Instituts vorbeifährt, in der Hoffnung, Kontakt
zu mir herzustellen.
»Also, welche willst du?«, fragte Martin.
Ich ließ meine Blicke über die Hühner wandern.
»Die, die jetzt schon blass um die Nase sind, fallen weg«, klärte Martin mich auf.
Schade. Da hatte ich gerade eine mit einem vielversprechenden Einblick …
»Die Größe der Oberweite ist auch kein Entscheidungskriterium.«
Ja, was denn nun? Erst sagt er, ich soll mir eine aussuchen und dann streicht er nacheinander alle interessanten Kandidatinnen
von der Liste.
»Wie wär’s mit der da drüben?«
Martin zeigte unauffällig auf eine kleine Person in der Mitte.
»Die Klobürste?«, fragte ich zurück.
Martin schickte mir ein Fragezeichen.
»Unten ein gerader Stock und oben kurze Borsten«, klärte ich ihn auf. »Außerdem wohl nicht mehr so ganz frisch, was?«
»Aber sie hat Humor.«
»Na und?«
Martin verdrehte die Augen. »Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Eine Schriftstellerin auf dem Weg zum Literaturnobelpreis
wird dein Buch nicht in der Öffentlichkeit vertreten wollen.«
»Was soll das denn …«
»Und ein Sendungsbewusstsein, das Gesellschaftskritik durch das stilistische Mittel des Kriminalromans artikuliert, können
wir auch nicht brauchen.«
Gut, dass Martin das so sah. Sendungsbewusstsein und Gesellschaftskritik und dieser ganze Psychokram ist ja auch nicht so
mein Fall. Damit wollte ich nichts zu tun haben. Ich betrachtete die Klobürste nachdenklich. Toll sah sie ja nicht aus. Aber
die Art, wie sie grinste, war ganz okay. Sie wirkte nicht wie eine, die dauernd herumzickte.
Ich gab mich geschlagen. »Frag sie«, forderte ich Martin auf. »Aber bei allen Pseudonymen, die im Buch verwendet werden, habe
ich das letzte Wort.«
Martin nickte. Gleichzeitig brandete Applaus auf, Katrin dankte für die Aufmerksamkeit, schaltete den Beamer aus und das Licht
an.
Martin drängelte sich zu der Klobürste durch.
»Entschuldigung, Gänsewein. Verraten Sie mir Ihren Namen?«
Himmel, wie peinlich, so mit der Tür ins Haus zu fallen.
»Gern«, sagte die Klobürste und streckte Martin mit einem breiten Grinsen die Hand entgegen. »Jutta Profijt.«
ANMERKUNGEN UND DANK
Mein Dank geht wie immer an Dr. Frank Glenewinkel, der jede noch so doofe Frage zur Rechtsmedizin geduldig beantwortet. Leider gefallen mir manche Antworten
nicht. Die nehme ich dann hin – und beanspruche das Recht auf künstlerische Freiheit für meinen Rechtsmediziner Martin Gänsewein,
der, laut Dr. Glenewinkel, das »Quincy-Syn drom « zeigt: Er kennt sich nicht nur in seinem Fachgebiet blendend aus, sondern auch in der Toxikologie, der Pharmakologie und
den Religionswissenschaften …
Auch sonst habe ich mir einige Freiheiten erlaubt. Propofol beispielsweise ist ein unverdächtiges Hypnotikum, dem ich in meinem
Buch wissentlich unrecht tue. Eine Narkose ist nicht so simpel wie dargestellt, und eine Organtransplantation auch nicht.
Die Migrantenmedizin ist ein Segen und kein Fluch. Und die Sicherheitssituation im Rechtsmedizinischen Institut ist – laut
meinen Recherchen – makellos.
Weiterer Dank gebürt Michael Heydebreck vom Odysseum, der mir die Nebelkammer und andere spannende Experimente erläutert hat.
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