Küss mich hier und küss mich jetzt (Julia) (German Edition)
als sei sie eine Raupe im Salat eines sehr exklusiven Restaurants, löschten jedes Gefühl körperlicher Anziehungskraft aus.
Sie hatte ein Problem mit Menschen, die sie auf diese Weise anschauten.
„Absolut“, stimmte sie mit der Selbstsicherheit der Oberklasse zu. „Wirklich schockierend.“ Und dann klappte sie in einer Geste, die hoffentlich als völlige Sorglosigkeit durchging, den Kragen ihres abgewetzten Militärmantels hoch, setzte sich bequemer zurecht und schloss die Augen.
Kit Fitzroy legte die Zeitung beiseite.
Normalerweise vermied er es, im Urlaub Berichte über den Ort zu lesen, an dem er stationiert war. Den Journalisten gelang es nie, die Hitze, den Sand und die Verzweiflung richtig wiederzugeben. Er hatte die Zeitung nur gekauft, um sich auf den neusten Stand hinsichtlich Rugby und Rennsport zu bringen. Letzten Endes hatte er doch jeden Artikel gelesen, nur um das Bild der jungen Frau ihm gegenüber auszulöschen, das sich in sein Gehirn gebrannt zu haben schien.
Es hatte nicht funktioniert. Selbst der lächerliche Bericht über einen Antiterroreinsatz im Mittleren Osten hatte sie nicht aus seinem Bewusstsein verdrängt.
Wenig überraschend, dachte er säuerlich. Die vergangenen vier Monate hatte er ausschließlich in der Wüste, in der Gesellschaft von Männern verbracht. Und er empfand immer noch menschlich genug, um auf eine Frau in Stilettos und Korsage unter einem falschen Militärmantel anzusprechen. Die darüber hinaus die sündige Stimme einer Nachtclubsängerin besaß und sich offensichtlich bei dem liebestollen Trottel am anderen Ende der Telefonleitung beschwerte, dass sie nur zwanglosen Sex mit ihm hatte haben wollen.
Nach der schrecklichen Nüchternheit der Zeremonie, die er vorhin hinter sich gebracht hatte, besaß ihr Auftritt etwas sehr Lebendiges.
Kit unterdrückte ein Lächeln.
Lebendig, wenn auch nicht sonderlich kultiviert.
Er schaute wieder zu ihr hinüber. Sie war eingeschlafen. Geschmeidig wie eine Katze hatte sie die Beine unter sich gezogen, ein feines Lächeln umspielte ihre himbeerroten Lippen, als träume sie von etwas Amüsantem. Der schwarze Eyeliner reichte über das Oberlid hinaus, was wahrscheinlich die Assoziation mit einer Katze hervorrief.
Er runzelte die Stirn. Nein, das war es nicht. Nicht nur. Es lag auch an dem funkelnden Grün ihrer Augen. Er erinnerte sich genau an den Farbton: das klare kühle Grün junger Blätter.
Insgeheim fragte er sich, ob sie wirklich schlief. Wenn es um Täuschungen ging, besaß er recht gute Antennen. Seine inneren Alarmglocken hatten zu schrillen begonnen, kaum dass die Frau das Abteil betreten hatte. Doch irgendetwas überzeugte ihn, dass sie den Schlaf nicht vortäuschte. Die Energie, die sie vorhin verströmt hatte, war verschwunden. Fast war es, als sei ein Licht erloschen. Als wäre die Sonne untergegangen und zurück blieben nur Schatten und ein Frösteln.
Schlaf … die Belohnung der Unschuldigen. Angesichts der Schamlosigkeit, mit der sie ihren Freund angelogen hatte, kam es ihm nicht fair vor – vor allem, weil es ihm so schwerfiel einzuschlafen.
„Die Fahrkarten, bitte.“
Die Ruhe, die sich über den Waggon gesenkt hatte, wurde durch die Ankunft des Schaffners gestört. Hektische Aktivität breitete sich aus, als die Anwesenden die Tickets in den Taschen ihrer Anzüge suchten oder aus ihren Brieftaschen zogen. Nur die schlafende Frau ihm gegenüber regte sich nicht.
Sie war älter, als er zunächst angenommen hatte, stellte Kit fest. Zumindest älter, als es ihre absurde Aufmachung vermuten ließ. Vielleicht Mitte zwanzig? Dennoch ging etwas zutiefst Kindliches von ihr aus. Zumindest wenn man die sanfte Wölbung ihrer Brüste ignorierte.
Und in dieser Hinsicht tat er sein Bestes.
Der Kontrolleur erreichte das Abteil. Auf seiner bislang nüchternen Miene zeichnete sich Unbehagen ab, als er die Schlafende erblickte. Nervös fuhr er mit der Zunge über seine Lippen, dann streckte er zaghaft den Arm nach ihr aus.
„Nicht.“
Überrascht schaute der Mann sich um.
„Es ist okay“, sagte Kit. „Sie gehört zu mir.“
„Entschuldigen Sie, Sir. Darf ich Ihre Fahrkarten sehen?“
„Nein.“ Kit zückte seine Brieftasche. „Ich … wir … wollten ursprünglich das Flugzeug nehmen.“
„Ich verstehe, Sir. Das Wetter hat den Flugplan ganz schön durcheinandergewirbelt. Deshalb ist der Zug heute Abend so überfüllt. Nur Hinfahrt? Oder möchten Sie gleich die Rückfahrkarten
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