Küsse niemals deinen Chef! (German Edition)
andere Kleidungsstücke besitzt als die langweiligen Kostüme und das scharfe rote Abendkleid.“ Neugierig reckte Lucas den Kopf und trat dann einfach an ihre Seite, um den Kofferinhalt besser inspizieren zu können.
Grace wagte nicht, sich zu rühren. Er war ihr viel zu nah! Hatte der Mann denn kein Gefühl für Privatsphäre? „Was ich trage oder nicht, geht dich gar nichts an!“
Unbeeindruckt richtete er seinen Blick zunächst auf den Kofferinhalt, dann auf Grace. „Hübsch … um nicht zu sagen, überaus reizend“, murmelte er gedehnt. Grace konnte selbst entscheiden, ob er damit ihr momentanes Outfit – eine enge Jeans und ein schicker schwarzer Kaschmirpulli – meinte oder den Minislip aus schwarzer Spitze, den sie ihm gleich wieder aus der Hand riss.
„Hast du eigentlich gar kein Schamgefühl?“
Lucas hob den Koffer vom Bett, setzte sich auf die Kante und klopfte einladend neben sich. In seinen grünen Augen blitzte ein Funken auf, der ihren Herzschlag rasant beschleunigte. „Na los, was ist? Wollen wir darüber reden, oder willst du das Katz- und Mausspiel so lange beibehalten, bis wir direkt im Bett landen? Mir macht der verbale Schlagabtausch zwischen uns wirklich Spaß, und mit dir schlafen will ich auf jeden Fall. Aber ich denke, es geht um etwas mehr als das, oder?“
„Mehr?“, echote sie schwach und ließ sich von ihm auf die Bettkante ziehen.
„Ich befürchte, du warst etwas zu neugierig und zu hartnäckig, sodass es dir tatsächlich gelungen ist, hinter den verbotenen Vorhang zu schauen.“
Sofort dachte sie an seine gequälte Miene vom Vortag und brauchte deshalb nicht weiter zu fragen, worauf er anspielte. Stattdessen wartete sie ruhig, was als Nächstes kommen würde.
„Dafür gibt es Strafmaßnahmen, deren Härtegrad und Vollzug dem Geschädigten obliegen.“ Er ließ sie keine Sekunde aus den Augen, aber Grace schluckte nur trocken. „Nach dem Gespräch mit Charlie Winthrop gestern kam ich zurück in dein Büro, aber du warst nicht da.“
„Ich hatte ein wichtiges Meeting“, informierte sie ihn frostig und faltete die Hände auf den zusammengepressten Knien.
Lucas beobachtete das puritanische Manöver, interpretierte es völlig richtig und seufzte. „Du versuchst mich schon wieder auszuschließen. Ich verstehe das nicht.“ Sein Ton war der gleiche wie gestern – ernsthaft, direkt und irgendwie nachdenklich.
„Was nicht?“
„Ich weiß nicht, warum ich mich ständig genötigt fühle, dir Dinge zu erzählen, die ich noch keiner lebenden Seele zuvor anvertraut habe. Und warum ich nicht aufhören kann, an dich zu denken. Oder mich von dir fernzuhalten. Obwohl …“
Als Grace einen heimlichen Seitenblick wagte, sah sie sein schiefes, selbstironisches Lächeln und fühlte, wie ihr Herz einen Hüpfer machte.
„Die Wahrheit ist im Grunde genommen ganz einfach. Ich will es gar nicht.“
„Du musst es aber!“, entfuhr es ihr spontan.
Jetzt lachte er leise und amüsiert. „Und schon haben wir ein weiteres Problem. Ich bin nämlich ganz schlecht darin, Dinge zu tun, die ich muss. Sorry, eine meiner vielen Charakterschwächen.“
Sie durfte sich auf keinen Fall auf diesen Ton einlassen und stählte sich innerlich. „Tut mir leid, aber ich bin weder an deinen positiven und noch weniger an deinen negativen Charaktereigenschaften interessiert. Dafür fehlt mir ganz einfach die Zeit. Wir haben einen Job zu erledigen, der unsere ganze Aufmerksamkeit und Kraft erfordern wird.“
„Ja, unser Job …“ Seine Stimme klang heiter und verursachte Grace trotz aller guten Vorsätze eine Gänsehaut. „Deshalb sind wir hier … im Dorf der Verdammten, das ich eher hatte niederbrennen wollen als dorthin zurückzukehren. Das scheint jetzt keine Option mehr zu sein. Wie soll es also mit uns weitergehen, Grace?“
Es hatte keinen Sinn, sich länger etwas vorzumachen. Das wusste sie in dem Moment, als sich ihre Blicke trafen und ineinander versanken.
Und warum auch? Plötzlich schlug ihr Herz ganz ruhig und gleichmäßig.
Dies war nicht Racine, Texas, und Lucas nicht der Mann, der ihr damals das naive Teenagerherz gebrochen und fast ihre Zukunft ruiniert hätte. Lucas kannte die ganze Geschichte und verurteilte sie nicht wie ihre Mutter und alle anderen. Und er bestand auch nicht darauf, widerliche Details zu erfahren, die sie einfach nur vergessen wollte.
Wenn er also schon das Schlimmste wusste und nicht schockiert war, warum sollte sie sich dann das Vergnügen versagen,
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