Küsse niemals deinen Chef! (German Edition)
tauchte wie ein Racheengel ihre Mutter im Türrahmen auf.
Gott sei Dank! Rettung in letzter Minute!
Es hatte eine Weile gedauert, bis Grace begriff, dass sich Mary-Lynns mörderische Wut gegen sie richtete und nicht gegen Gravis. „Ich hätte wissen müssen, dass du irgendwann versuchst, dich ihm an den Hals zu werfen!“, hatte ihre Mutter gekeift. „So zahlst du mir also nach all den Jahren meine Gutmütigkeit und Fürsorge heim? Kein Wunder, dass dich alle für ein Flittchen halten!“
Sie seufzte bei der qualvollen Erinnerung. „Und zumindest in einem Punkt behielt Mary-Lynn recht. Wenn man sich erst mal einen schlechten Ruf erworben hat, wird man auch von der ganzen Welt entsprechend behandelt. Meine Mutter ist da keine Ausnahme gewesen … und schon gar nicht ihr Freund.“
Alles, was sie nicht aussprach, hing wie eine dunkle Wolke zwischen ihnen. Unter Lucas’ forschendem Blick fühlte sich Grace noch nackter und verletzlicher.
„Das tut mir sehr leid.“ Seine Stimme war so sanft, dass sie mit den Tränen kämpfen musste. „Wenn jemand Erfahrung damit hat, wie es ist, aufgrund von Fotos beurteilt zu werden, dann ich, wie du weißt. Aber warum macht es dir so viel aus, was ignorante Leute von dir denken?“
„Weil es meine Leute sind!“, brach es aus ihr heraus. „Racine war das einzige Zuhause, das ich je hatte, und dorthin kann ich nie wieder zurückgehen. Diese Bilder hier sind der Grund, weshalb meine Mutter mich mit siebzehn aus dem Haus geworfen hat. Ich hasse die Fotos und alles, wofür sie stehen. Mit dem Geld für die Fotos wollte ich mich weiterbilden, stattdessen habe ich alles verloren … meine Familie, meine Heimatstadt und für lange Zeit auch den Respekt vor mir selbst.“
„Aber das ist doch schon Jahre her.“ Lucas lächelte aufmunternd. „Jetzt sind die Fotos nur noch der Beweis dafür, dass du schon immer eine umwerfende Schönheit warst.“
„Ich will aber keine umwerfende Schönheit sein, was immer das auch bedeuten soll!“ Warum verstand er sie nur nicht? Ihr attraktives Äußeres hatte sie immer nur in Schwierigkeiten gebracht, deshalb hätte Grace liebend gern darauf verzichtet. Zumindest verdankte sie das komfortable Leben, das sie inzwischen führte, nicht ihrem Gesicht oder ihrer Figur, sondern eiserner Entschlossenheit und Disziplin.
Was ihr aktuelles Umfeld von ihr halten würde, wenn es die Aufnahmen zu sehen bekäme, mochte sich Grace gar nicht ausmalen. Denn heute hatte sie noch viel mehr zu verlieren als früher.
„Wie schade“, sagte Lucas leichthin. „Und ich dachte, ich könnte dich vielleicht ermutigen, endlich deine Verkleidungen wegzuwerfen und zu deiner Schönheit zu stehen.“
Grace lachte hohl. „Du hast nicht wirklich geglaubt, ich würde mich über die Bilder freuen, oder?“, fragte sie bitter. „Wahrscheinlich ist es wieder eines deiner perfiden Spielchen, bei denen es dich einfach nicht interessiert, welchen Schaden du bei den Betroffenen anrichtest.“
Sein Lächeln war wie weggewischt. „Du hast nicht die leiseste Ahnung, welchen Schaden ich tatsächlich anrichten kann.“ Die Worte schienen ihm schwer über die Lippen zu kommen. „Ein paar nette Bildchen aus deinen frühen Jugendjahren auszugraben, zählt ganz bestimmt nicht dazu. Du solltest dich wirklich glücklich schätzen, Grace, denn …“
„Hast du sie schon jemand anderem gezeigt?“, unterbrach sie ihn mit schwankender Stimme.
Lucas schüttelte den Kopf und nahm ihr die Fotos aus der Hand. „Es sind nur Bilder, Grace“, sagte er ruhig und schob sie durch den Aktenvernichter, der neben dem Schreibtisch stand, „und jetzt sind sie weg. Du bist wieder sicher. Aber ich bin immer noch Lucas Wolfe, nicht wahr? Und so wird es mir vielleicht doch noch gelingen, vier oder fünf Leben vor den Abendnachrichten zu ruinieren.“
Spätestens jetzt hätte sie das luxuriöse Büro verlassen müssen, das Mr Wonderful quasi als Vorschusslorbeeren von der Geschäftsleitung zugeteilt bekommen hatte. Doch Grace blieb wie festgefroren auf der Stelle stehen.
„Warum legst du es eigentlich immer darauf an, dass ich und der Rest der Welt nur das Schlechteste von dir denken?“, fragte sie nach einer Pause.
Auch Lucas antwortete ihr nicht gleich. „Es spart Zeit.“ Seine Stimme klang hart, fast barsch. „Hinter diesem göttergleichen Antlitz steckt rein gar nichts. Denn das ist es doch, was du denkst und auch jeder andere. Gratuliere, du hast mich durchschaut! Endlich
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