Küstenfilz
aufgedeckt hatten.
Er rief die
Uniklinik an und wurde mit einem Stationsarzt verbunden, der kritisch genug
war, keine Auskünfte am Telefon zu erteilen, sondern im LKA zurückrief und dann erklärte, dass es für eine
endgültige Diagnose noch zu früh sei.
»Akute Lebensgefahr
besteht für Frau Rasmussen nicht mehr, aber wir müssen mit schwerwiegenden
bleibenden Schäden rechnen«, erklärte der Mediziner.
»Können Sie das
näher spezifizieren?«, fragte Lüder.
»Mit hoher
Wahrscheinlichkeit – nein! –, mit Gewissheit wird die Patientin auf einem Auge
blind sein. Wie stark die Sehleistung auf dem anderen Auge beeinträchtigt sein
wird, lässt sich heute noch nicht abschließend sagen. Die linke Hand mussten wir
amputieren. Bis auf einen Unterarmstumpf ist dort nichts mehr vorhanden. Rechts
fehlen alle Finger und ein Teil der Handfläche. Wir gehen davon aus, dass das
Handgelenk so weit gerettet werden kann, dass es noch eingeschränkt zu bewegen
ist. Darüber hinaus finden sich diverse, zum Teil großflächige Verbrennungen
und partiell offene Fleischwunden am Rumpf und den Oberschenkeln.«
»Ist Frau Rasmussen
ansprechbar?«
»Auf keinen Fall«,
erklärte der Arzt. »Die Frau liegt postoperativ auf der Intensivstation. Sie
befindet sich in einem künstlichen Koma. Sie hat zudem einen schweren Schock.
Aus medizinischer Sicht wird es sehr lange dauern, bis sie für ein Gespräch mit
Ihnen zur Verfügung steht.«
»Wie lange?«, bohrte
Lüder nach.
»Sehr, sehr lange«,
wich der Doktor aus.
Lüder hatte gerade
aufgelegt, als sich der Kriminaldirektor meldete und Lüder zu sich bat.
Auf dem Flur
begegnete er einem jungen Mann mit einem Handwagen, der die Post verteilte.
»Moin, Friedhof«,
begrüßte Lüder den Büroboten.
Der Angesprochene
sah auf, lächelte und antwortete mit schwerer Zunge: »Hallo, Herr
Oberwachtmeister Rambo.« Lüder ging auf Friedjof, den seit frühester Kindheit
behinderten Mann, zu und gab ihm die Hand.
»Alles klar?«
Der junge Mann
strahlte. »Alles klar, Lüder«, antwortete er und war ein wenig enttäuscht, dass
niemand ihr Gespräch belauschte. Friedjof war stolz darauf, dass ihm Lüder vor
geraumer Zeit das Du angeboten hatte.
»Hast du die Störche
am Wochenende gesehen?«, fragte der fußballbegeisterte Bürobote.
»Ja«, log Lüder, obwohl
er nur das Ergebnis des einheimischen Clubs Holstein Kiel kannte.
»Die haben nur ein
bisschen Pech gehabt«, verteidigte Friedjof seinen Verein.
Lüder winke ab.
»Sorry, aber ich muss dringend zum Chef.«
»Grüß schön«, rief
ihm Friedjof hinterher.
Kurz darauf saß
Lüder dem Kriminaldirektor gegenüber.
»Danke«, antwortete
Nathusius mit einem Schmunzeln, nachdem ihm Lüder Friedjofs nicht ernst
gemeinten Wunsch übermittelt hatte. Dann wurde der Abteilungsleiter
nachdenklich und ließ sich von Lüder die bisherigen Ergebnisse vortragen.
»Das liegt bei Ihnen
in guten Händen. Machen Sie in diesem Sinne weiter und halten Sie mich bitte
auf dem Laufenden«, bat Nathusius. »Ich habe aber noch eine andere Sache.«
Lüder sah seinen
Vorgesetzten fragend an.
»Haben Sie vom
Rücktritt Heiner Windgrafs gehört?«
Lüder nickte.
»Kennen Sie die
Hintergründe?«, fragte der Kriminaldirektor.
»Nein. Ich habe der
Sache aber auch keine Bedeutung beigemessen, zumindest keine, die Auswirkungen
auf uns oder unsere Arbeit haben könnte«, gab Lüder zu.
»Eine Verbindung zu
der Briefbombe vermag ich auch nicht zu erkennen. Es gibt dennoch
Merkwürdigkeiten. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass das, was ich Ihnen jetzt
erzähle, einer besonderen Verschwiegenheit unterliegt.«
Nathusius musterte
Lüder eindringlich, als wollte er sich vergewissern, dass seine Ermahnung auf
fruchtbaren Boden fallen würde. »Nur dem Ministerpräsidenten, dem
Landtagspräsidenten sowie dem Minister ist bekannt, was dem Staatssekretär
widerfahren ist. Auf eine sehr merkwürdige Weise. Man hat auf ein privates
Konto der Familie, das sie in der Schweiz unterhält, einen Betrag von rund
siebenhunderttausend Euro überwiesen.«
»Auf ein Schweizer
Konto?«
Nathusius stutzte
einen Moment. »Das Konto ist nicht illegal. Ich selbst habe geprüft, ob diese
Verbindung dem Finanzamt bekannt ist. Es ist. Warum Windgraf ein Schweizer
Konto unterhält, soll uns nicht weiter interessieren.«
»Wer hat ihm das
Geld überwiesen?«
Nathusius trank
einen Schluck Kaffee, bevor er antwortete. »Das wissen wir nicht. Der
Transferweg ist so geschickt
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