Kunstraub im Städel
aber den Namen Marlon Smid vernahm, waren all seine Sinne wie elektrisiert. Marlon Smid – der große Marlon Smid! Ein Name wie Donnerhall in der europäischen Detektivszene. Ein Anruf Fidel Castros, er, Herr Schweitzer, möge doch bitte die in Deutschland bitter notwendige Revolution endlich mal in die Wege leiten, hätte ihn weniger überrascht. Marlon Smid – was wurde über den nicht schon alles geschrieben. Mythen und Legenden rankten sich um diese schillernde Figur. Und dieser Meister höchstselbst äußerte nun die Bitte – ja, er glaubte sogar ein Flehen im Timbre erkannt zu haben –, der kleine, unbedeutende, nichtsnutzige Simon Schweitzer möge zurückrufen.
Seine Gedanken überschlugen sich. Was wollte er? Das Währungssystem vor dem Kollaps retten? Einen Anschlag auf die Bundeskanzlerin vereiteln? Das wäre so in etwa die Kragenweite von Marlon Smid.
Hektisch suchte er nach einem Kuli. Zwei Mal musste er sich die Nachricht anhören, dann hatte er die Nummer auf dem Zeitungsrand notiert.
„Maria! Maria! Maria! Weißt du, wer mich angerufen hat?“
„Nö.“
„Marlon Smid. Der! … Marlon! … Smid!“
„Spielt der bei der Eintracht?“
„Mensch, kapierst du nicht? Marlon Smid, der Detektiv aller Detektive. Hat sein Büro drüben an der Hauptwache. Riesengroße rote Leuchtletter. Hast du bestimmt schon gesehen.“
„Nö. Sagt mir nichts.“
„Aber, Maria …“ Herr Schweitzer brach ab. Er versuchte es anders: „Damals, muss so Mitte der Achtziger gewesen sein. Stand in allen Zeitungen. Marlon Smid ist mit einem selbst gebastelten Heißluftballon aus der Tschechoslowakei geflohen. Spektakulär, sensationell … die Aktion, damals. Ein Held. Wäre fast im Ostteil von Berlin gelandet. Ein Orkan fegte gerade über die Gegend. War denkbar knapp, das Ganze. Hat sich bei der Landung ein Bein gebrochen.“
„Jetzt übertreib mal nicht. Du hast’s doch sonst auch nicht so mit Helden.“
„Ja, aber … Maria.“
„Miau.“ Es war Pepsi, die um seine Beine strich.
Herr Schweitzer schaute nach unten, nahm das Kätzchen in die Arme und kraulte es im Nacken. „Ach, das hast du bestimmt nur vergessen. Ist ja schon so lange her.“
„Bestimmt.“ Maria gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Was magst du heute Abend essen? Wollen wir mal wieder grillen? Ich geh gleich einkaufen.“
Damit war das Thema für Maria durch.
Pah, dachte Herr Schweitzer, der erzähl ich noch mal was. Soll sie doch weiter ignorant durchs Leben laufen. „Ja, Grillen ist prima.“
Mit dem Anruf wartete er, bis seine Liebste aus dem Haus war.
Marlon Smid meldete sich sofort. Geradenwegs so, als säße er auf heißen Kohlen. Herr Schweitzer hörte Fahrgeräusche. Er vermutete den Meisterdetektiv in einem knallroten Ferrari. Oder zumindest in einem Porsche, darunter machte er es bestimmt nicht. Seine Stimme klang nach teuren Zigarren und einem edlen schottischen Highland-Whiskey. Für die Flasche hätte ich früher sicher zwei Wochen arbeiten müssen, tippte er.
Und es war in der Tat kein Versehen. Marlon Smid wollte ihn umgehend sehen, die Zeit sei knapp.
Natürlich, dachte Herr Schweitzer, Smids Terminkalender ist wahrscheinlich so proppenvoll wie die Checkliste der NASA bei anstehenden Weltraummissionen. Die Verabredung wurde auf den späten Abend terminiert. Marlon Smid nannte ihm eine Adresse in der Innenstadt. Old Shanghai’s harbour – eine Bar sei das.
–
Die Hähnchenbrust und das Rumpsteak mit Kräuterbutter waren vertilgt. Die Grillkohle sandte noch ein paar einsame letzte Rauchwölkchen gen Himmel, während sich Herr Schweitzer wohlig im Stuhl räkelte und über seinen Bauch strich.
Maria: „Besser, du schläfst heute bei dir unten. Du weißt ja, morgen kommen die Handwerker zu mir.“
„Ach, das hast du mir gar nicht erzählt.“
„Doch, hab ich. Es ist wegen der Installation der Außendusche.“
Stimmt, das hatte sie, dachte Herr Schweitzer. „Oh, morgen ist das schon.“ Er fand das natürlich eine prima Idee. Es war ein weiterer Schritt ins Paradies. So brauchte er nicht immer ins Haus zu laufen, um sich zu erfrischen. Gerade bei den herrschenden Temperaturen eine nicht zu verachtende Erleichterung. Er schaute auf die Uhr. „Ich mach mich mal so langsam fertig. Die Pflicht ruft.“
Eine viertel Stunde später war für Maria das Grauen mal wieder fassbar. Ein Modeunfall in Person von Simon Schweitzer präsentierte sich ihr. Es war nicht das erste Mal. Es geschah fast immer dann, wenn
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