Kunstraub im Städel
Uhr
Joey.
Joey also.
Joey, der den Coup eingefädelt hatte, und nun sehnlichst darauf wartete, dass er endlich loslegen konnte. Seit bald zwanzig Jahren war er groß im Geschäft, hatte seine Hände fast überall im Spiel, wo es was zu verdienen gab, ohne sich besagte Hände allzu dreckig zu machen. Er war eine große Nummer in der Szene. Legal, illegal, scheißegal, Hauptsache die Kohle stimmte. Prostitution, Glücksspiel, Drogenhandel, Zigarettenschmuggel, Geldwäsche und Börse – das waren die anrüchigen Sachgebiete, auf denen er sich schon erfolgreich getummelt hatte. Und mit seiner Maxime des geringsten Risikos war er immer gut gefahren. Nicht das Geld war das Entscheidende, das Risiko war’s, worauf es ankam. Das hatten seine Kollegen der Zunft nie kapiert. Deswegen saßen sie auch des Öfteren hinter Schwedischen Gardinen, während er es noch nie mit der Justiz zu tun bekommen hatte. Nun, fast nie. Einmal hatte sie ihn tatsächlich verdächtigt gehabt. Ganz kurz nur und zu recht, aber das war lange her. Lieber ein paar sichere Tausender mit polnischen Zigaretten ohne Steuerbanderole als ein Banküberfall, bei dem Millionen winkten, das Risiko aber unüberschaubar war.
Joey, groß gewachsen, dunkler Strubbelkopf, durchtrainiert, stand in Jeans und mintgrünem Seidenhemd in seinem Penthouse im Frankfurter Westhafen, der früher als sogenannter Winterhafen die Schiffe vor Eisgang schützte und heute eine gepflegte Wohngegend ist. Sein Blick glitt über den Main mit seinen Frachtschiffen und Ausflugsdampfern. Er hatte seine Hausaufgaben gemacht. Noch heute Nacht sollte es nach Andorra zum Conte gehen. Im Gepäck der Holbein. Eine Million war diesem seltsamen Conte die Sache wert.
Doch vorher musste die Nachricht der erfolgreichen Wiederbeschaffung der geklauten Gemälde im Radio verkündet werden. Oder im Polizeifunk. Dann erst würde er sich in seinen Wagen setzen und Richtung Andorra düsen. Es war eine reine Sicherheitsmaßnahme, typisch für ihn. So, wie er Konstantinos Tziolis auch angewiesen hatte, die Gemälde getrennt zu verstecken. Gedacht nur für den Fall der Fälle, dass. Denn was da noch so alles passieren konnte. Eine überraschende Fahrzeugkontrolle auf dem Weg dorthin, zum Beispiel. Ein kunstverständiger Polizeibeamter, der von dem Kunstraub wusste und einen Holbein erkannte. So aber, nach der Nachricht über die Wiederbeschaffung, würde der Holbein lediglich eine Fälschung sein. Wenn auch eine vermeintliche, aber das wusste ja fast niemand.
Joey war mächtig stolz auf sich. Zur Sicherheit überprüfte er das Gerät mit dem Polizeifunk zum x-ten Mal an diesem Tag.
Was mit Konsti und Benny passierte, war nicht wichtig. Das waren nur Randfiguren. Trotzdem drückte er ihnen die Daumen.
Um Mitternacht würde die Übergabe stattfinden. Joey rechnete frühestens um zwei mit einer positiven Nachricht. Erst dann würde er sich zur Werkshalle in der Gutleutstraße begeben, um den Holbein zu holen. Und ebenfalls zum x-ten Mal an diesem Tag überprüfte er seinen Schlüsselbund. Tausend Euro hatte er von seinen Spargroschen in das neue Schloss investiert. Sicher ist sicher. Null Risiko, maximaler Output.
Joey sah auf seine Rolex.
Samstag, 19:01 Uhr
Herr Schweitzer hatte den Holbein im Keller verstaut. Ihn im Twingo zu lassen, wäre ja auch ziemlich blöd gewesen. Nicht in Frankfurt, wo täglich annähernd so viele Autoaufbrüche zu verzeichnen waren wie Bembel geleert wurden.
In seiner Wohnung angekommen, wurde er stürmisch von seiner Mitbewohnerin Laura begrüßt: „Hallo Simon, wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt?“
Stimmt, erkannte er, ich war schon länger nicht mehr hier. Campingplatz, Maria. Doch Herrn Schweitzer war nicht nach einem längeren Plausch zumute. Er hatte viel nachzudenken.
Nach seinem Alleingang fehlten ihm Informationen. Mit Genugtuung betrachtete er Laura. Sie war dermaßen schick angezogen, dass nur eins in Betracht kam: Männerfang. Ein Hobby von ihr, wenngleich ein desaströses. Schon seit Jahren schlitterte Laura von einer Pleite in die nächste. Sie hatte ein ausgesprochenes Händchen für die größten Luschen der Stadt.
„Bei Maria“, antwortete er nicht ganz ehrlich, „du weißt doch, im Sommer, sie hat einfach den schönsten Garten weit und breit.“
„Klar, Simon. Ich muss.“ Laura schulterte ihre Handtasche und warf noch einen Blick in den Spiegel. „Bleibst du über Nacht?“
„Gute Frage.“
„Egal. Wir sehen uns. Mach’s
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