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Kunstraub im Städel

Kunstraub im Städel

Titel: Kunstraub im Städel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Turnschuhe und nackte Beine sehen. Auf dem rechten prangte ein chinesisches Tattoo. Trotz der riesigen Bredouille, in der Herr Schweitzer steckte, erblickte ein böser Gedanke das Licht der Welt. Er übersetzte das Tattoo mit:
Ich, Drecksack von finsterem Charakter und Auswurf der Hölle, geboren in der Morgenröte von einer nichtsnutzigen, greisenhaften Hübschlerin, gezeugt von einem krummbeinigen, pockennarbigen Gnom, dessen Schwanz so unsichtbar war wie der Rumpf eines halben Schmetterlings in der tiefsten Nacht des Jahres der Ratte
.
    Diese Übersetzung mochte vielleicht etwas ungerecht sein, doch muss man sie von Herrn Schweitzers Warte aus betrachten. So, wie er mit dem Handicap seines vermaledeiten Knöchels da lag, hätte er nicht mal um sein Leben kämpfen können.
    „Hier sind Spuren auf dem Boden. Es war jemand da.“
    Aus und vorbei, dachte er final. Geschichte wird aus vielen kleinen Geschichten gemacht, und meine kleine ist hier zu Ende.
    Was Herr Schweitzer in seiner Todesangst natürlich nicht mitbekommen hatte, nicht mitbekommen konnte, war, dass der andere mittlerweile die Bürotür beiseite gehoben und die Toilettentür geöffnet hatte.
    „Entwarnung, Benny. Alles hier.“
    „Ich komme.“
    Puh.
    Nochmal Puh, als der Auswurf der Hölle weit genug weg war. Das war verdammt eng. Er hatte noch mal Glück gehabt. Manchmal sind die Wege des Herrn echt unergründlich. Unklar, wen er gerade begünstigte und wer auf der Abschussliste stand. Der Glückspilz atmete tief durch. Natürlich, wusste Herr Schweitzer, war die Gefahr noch nicht vollends ausgestanden. Er lag in Seitenlage. Sein rechtes Bein drohte einzuschlafen. Mit größter Vorsicht drehte er es in eine andere Position.
    Die Ganoven waren in der Toilette zu Gange. Nur vereinzelte Wortfetzen drangen an sein Ohr. „Beeilung“, „Krestenporki“, „Joey“, „Fälschung“.
    Krestenporki? Herr Schweitzer dachte nach. Er hatte das Wort noch nie gehört. Ausländisch? Armenisch? Ein ostfriesischer Dialekt? Ostasiatisch kam jedenfalls nicht in Betracht, die konnten keine Rs aussprechen. Obelliedelbach und Untelliedelbach – so klang bei denen Oberliederbach und Unterliederbach.
    Er war zur Untätigkeit verdammt. Ausbüxen wäre absurd gewesen. Nicht mit seinem Knöchel. So absurd, als würde ein Selbstmordattentäter nach getaner Arbeit mit seinen Freunden feiern wollen. Doch die Alternativen waren nicht gerade breit gefächert. Horche und gucke – mehr als diese Sachsenhäuser Maxime blieb ihm nicht. Also konzentrierte er sich auf sie.
    Horche war gerade auf Eis gelegt, denn wortlos beluden die Ganoven das Auto. Und Gucke, na ja, momentan auch nicht gerade das Gelbe vom Ei: das diffuse Licht, die Entfernung, sein miserabler Beobachtungsposten.
    Er hörte den Kofferraumdeckel knallen. Dann wurde das Tor wieder geöffnet und der Motor gestartet. Sie brausten davon, ohne dass Tor wieder zu schließen.
    Wenigstens das Nummernschild, dachte Herr Schweitzer und schälte sich aus seinem Versteck. Seinen Humpelrekord von vorhin konnte er aber kein weiteres Mal brechen. Mit knallrotem Kopf erreichte er die Vorderfront. Dort sah er noch die Bremslichter. Doch viel zu klein das Nummernschild. Der erste Buchstabe, vielleicht ein F. Könnte aber auch ein E sein. Als die Gutleutstraße frei war, bogen sie nach rechts. Weg waren sie. Immerhin hatte er die Farbe. Weiß. Ein weißer Mercedes – so selten wie Lügen in eines Politikers Worten.
    Herr Schweitzer lehnte sich an die Mauer. Er fühlte sich, als habe er sein Haltbarkeitsdatum unweigerlich überschritten. Er könnte jetzt Marlon anrufen. Er konnte es aber auch sein lassen. Wozu auch? Um sein Versagen einzugestehen?
    Dann tapste er zu seinem Twingo und öffnete Beifahrertür als auch Handschuhfach.
    Er bröselte exakt die Menge auf den Tabak, von der er glaubte, dass sie ihn nicht gleich umhauen würde. Ich bin ein Trottel, jedes Dorf hat seinen Trottel, nur in Offenbach hat’s keinen, der keiner ist. Herr Schweitzer kicherte ob seines Gedankengangs, war also wieder besserer Dinge.
    Als die Wirkung des Joints einsetzte, ließen die Schmerzen nach. Und nicht nur das. Der Morast in seinem Inneren verflüchtigte sich. Klare Gedanken gewannen die Oberhand. Er versetzte sich in die Lage der Gauner. Sie hatten sich sicher gefühlt. Vielleicht zu sicher. Möglicherweise hatten sie Spuren hinterlassen, weil sie dachten, die Kripo würde nie im Leben auch nur einen Fuß in diese Werkshalle setzen. Eine

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