Kurt Ostbahn - Blutrausch
Sechshaus zu erzählen weiß, weil er bei dessen Verhaftung persönlich anwesend, aber auch mindestens fünf Minuten geistig abwesend war. Daß ausgerechnet er mir Marlene wiederbringt, kann unmöglich daran liegen, daß aus Brunners üblem Gehilfen über Nacht ein guter Menschen geworden ist.
„Das war er mir schuldig“, sagt Marlene, „nach all dem, was er mir und Gilbert angetan hat.“
Ahja. Das Mörderspiel. Trainer, Trash und Skocik überführen den zarten Gily und seine Mama des zweifachen Mordes und der Mitwisserschaft. Mir kommt vor, das war vor einer Ewigkeit. In einem anderen Leben. In dem Leben vor Rodenstein, als der Wahnsinn noch auf Distanz blieb und in Doktor Trash’s Denkmaschinen, anstatt mir mit blutendem Arsch ins Gesicht zu fahren.
Damals, vor nicht ganz 48 Stunden, hatte Brunner seinem unsäglichen Assistenten den Auftrag gegeben, an Gily und Marlene dranzubleiben, während er und ich zu Elfi und der Skulptur des Dichters eilten.
Und Skocik hatte gleich am späten Nachmittag bei Marlene im Palace in Paris angerufen und sie in seiner unerreicht diplomatischen Art über den derzeitigen Stand des Mörderspiels in Kenntnis gesetzt.
„Ich fiel, wie sagt man, aus allen Wolken. Ich wußte nicht, wie mir geschieht“, erzählt Marlene aufgeregt und fällt immer mehr in ihren sensationellen Akzent.
„Er wußte Dinge über mich und Gilbert, die kein Polizist in Österreich wissen kann. Und er mixte diese Dinge mit haarsträubenden Beschuldigungen. Es war ganz fürchterlich.“
So fürchterlich, daß Marlene gestern Morgen ihren Gilbert unter den Arm und die erste Maschine nach Wien nahm, um hier vor Ort einen Justizirrtum aufzuklären, der keiner war, sondern der Sololauf eines ehrgeizigen, aber seiner Aufgabe nicht gewachsenen Jungbullen.
Im Sicherheitsbüro durfte sich Marlene dann stundenlang Entschuldigungen von höchster Stelle anhören und eine zähneknirschende Stellungnahme von Skocik persönlich, der zugeben mußte, daß es wahrscheinlich schlauer gewesen wäre, zuerst anhand der Passagierliste der Air France zu überprüfen, ob Gilbert Levy mit seiner Mutter am Samstag nach Paris geflogen ist, anstatt ihn eines Mordes zu bezichtigen, der einen Tag nach seiner Abreise in Wien begangen wurde.
„Die Republik Österreich wird mir vielleicht meine Unkosten ersetzen, aber das ist mir egal“, sagt Marlene. „Ich wollte von diesem Kojak nur, daß er dich findet und mich zu dir bringt. Das ist doch nicht zu viel verlangt als Entschädigung für den seelischen Schaden, den ich genommen habe, oder?“
Der Quell -Poldl kommt just in dem Moment an unseren Tisch, als ich Marlene bestätigen will, daß das ein ganz famoser Einfall war, der nicht nur ihren seelischen Schaden, sondern auch meine emotionalen Havarien der letzten Tage kurieren könnte. Vorausgesetzt, Marlene kommt nicht wieder auf die Idee, kommentarlos aus meinem Leben zu verschwinden.
Sie bestellt ein Glas Rotwein. Ich schließe mich an. Soll gut sein für den Kreislauf. Auch der braucht momentan jede erdenkliche Unterstützung.
Und so ist es diesmal nicht dem Zufall zu danken, sondern Skociks kriminalistischem Spürsinn, daß Marlene und ich bei einem Wirten im Fünfzehnten sitzen und trinken. Skocik hat sie vom Palace abgeholt, in die Reindorfgasse gekarrt und, da ich nicht daheim war, kühn kombiniert, daß man mich dann eigentlich nur schräg vis-a-vis bei meinem Stammwirten antreffen kann.
„Und diesmal habe ich sogar ich einen Plan“, sagt Marlene.
„Du hast einen Plan?“
Marlene nickt bedeutungsvoll.
„Gilbert ist bei seiner seltsamen Freundin. Donna. Du weißt, der geht es nicht gut. Er will einige Tage bei ihr bleiben. Ich muß aber morgen geschäftlich nach Italien.“
„Ist das der Plan?“ sage ich, doch etwas enttäuscht. „Dann verrat ich dir meinen. Ich werde morgen den Herrn Josef, den Wirt aus dem Rallye , im Spital besuchen, und anschließend steht beim Doc ein Kaffeeplausch auf dem Programm, wo ich Trainer und Trash über meinen Besuch beim Schlächter von Sechshaus berichten soll.“
„Klingt sehr interessant. Aber kann man das nicht um ein paar Tage verschieben?“ sagt Marlene.
„Schwer. Die beiden sind wahnsinnig neugierig. Sie wollen wissen, ob ich die ganze Zeit etwas gewußt habe, das sie nicht wissen konnten. Bevor sie das nicht wissen, können sie nicht mehr ruhig schlafen.“
„Hmm“, macht Marlene und trinkt einen Schluck. „Trotzdem. Ich finde, du solltest ein paar Tage
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