Kurt Ostbahn - Blutrausch
säuberlich nach Titeln und Jahrgängen geordnet, gibt auch dem Laien eine Vorstellung davon, wie unerbittlich und gnadenlos Rachegöttinnen wie Donna mit ihren Opfern umzuspringen pflegen.
Das Zentrum dieser Kultstätte ist aber zweifellos ein altes Messingbett.
„Es ist alles vorbereitet“, hatte der Dichter im Séparée Donna ausrichten lassen. Und tatsächlich liegt auf dem Bett jene Leder-Kombination bereit, die Donna für das Erlösungsritual anlegen sollte. Am Kopfende hat der Dichter seine gesammelten Werke aufgestapelt und - sozusagen als Krönung - seine einzige nicht literarische Arbeit plaziert, die Skulptur aus Leder, Stahl, Samen und zwei verwesenden Herzen.
Als er dann Brunners vielleicht doch nicht so perfekt getarnte Mannschaft bemerkte, dürfte den Dichter zuerst große Enttäuschung und dann eine unbändige Wut gepackt haben.
Denn Donnas Reich ist überall mit Blut und Scheiße beschmiert. Und er hat begonnen, die Kleider seiner Göttin, die ihn so schmählich im Stich gelassen und verraten hat, aufzuschlitzen und zu zerschneiden. Dann ging er daran, seinem inneren Schmerz Luft zu machen, indem er sich mit dem Hirschfänger die vielen neuen Löcher in den Körper schnitt.
Das Blut spült die Schmerzen fort und ein Leben, das nur noch Qual und Schmerzen ist.
Ich will mir gar nicht vorstellen, in welchem Gesundheitszustand sich Donna und ich jetzt befänden, wenn wir eine Viertelstunde früher Rodenstein betreten hätten und dem Dichter bei seinem selbstzerstörerischen Gemetzel in die Quere gekommen wären.
Donna stellt sich die Folgen anscheinend vor. Und stürzt ans Fenster. Sie schafft es noch, den Innenflügel aufzureißen. Dann kotzt sie gegen die äußere Scheibe.
Und dann schreit sie wie am Spieß.
„Eine schöne Sauerei“, sagt Brunner. Er steht plötzlich neben mir und wirkt zwar müde, aber irgendwie erleichtert und zufrieden. Als wäre alles Gottseidank so gekommen, wie er es erwartet hat. Keine bösen Überraschungen. Blut und Scheiße überall. Aber das ist halt so. Das gehört zum Job.
Im Kinderzimmer stehen Männer in Kampfanzügen und mit steinernen Gesichtern den Ärzten und Sanitätern im Weg, die die erbärmlichen Reste des Dichterlebens retten wollen und Donna mit einer Spritze ruhigstellen.
„Ich hab eine Frage“, sage ich zu Brunner.
„Was fallt an, Herr Doktor?“ sagt er.
„Wo is da ein Klo?“
„Unten. Nach dem Jägerstüberl durch die Küche und dann links“, sagt Brunner.
„Großartig“, sage ich.
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Sie ist die größte Sensation, die je den Quell betreten hat.
Es geht auf drei, ich sitze an meinem Lieblingstisch neben dem Kachelofen beim Frühstück und lese schon das vierte Mal diesen einen Absatz im Kronenblatt , wo Gruppeninspektor Brunner dem Krone-Reporter enthüllt, daß „ein Hinweis aus der Bevölkerung“ zur Ergreifung des Schlächters von Sechshaus geführt hat und bei Redaktionsschluß dieser Ausgabe die Ärzte in der Intensivstation des AKH um das Leben des geisteskranken Mörders, eines 29jährigen Studenten der Veterinärmedizin, kämpfen.
Auf Brunner ist Verlaß. Er hat es mir hoch und heilig versprochen, und ich steh tatsächlich nicht in der Zeitung. Das ist für einen urlaubsreifen Urlauber meiner Profession der schönste Lohn. Denn so kann ich ohne Blitzlichtgewitter beim Wirten mein Ham & Eggs verzehren, ohne Fragen zu beantworten mein großes Obi gespritzt trinken und mich völlig ungestört dem Anblick einer sensationellen Geisterscheinung widmen.
Sie trägt eine rubinrote Regenpelerine mit Kaputze, und schenkt mir das sensationellste Lächeln, das ich seit letzten Samstag, zirka 16 Uhr 30, zu Gesicht bekommen habe.
„Darf ich?“ fragt Marlene und setzt sich zu mir, ohne meine Antwort abzuwarten.
„Ma-Häh-Du-Da?“ sage ich, und weil das auch ein kosmopolitischer Mensch wie Marlene nicht verstehen dürfte, mir aber die richtigen Worte fehlen, inszeniere ich einen täuschend echten Hustenanfall, ausgelöst durch ein Stück Kaisersemmel, das sich in die Luftröhre verirrt hat, ehe ich Marlene die entscheidende Frage stelle:
„Wie kommst du da her?“
„Mit der Polizei. Mit diesem Mann, der Kojak heißt, aber aussieht wie Sonny Crockett aus Miami Vice“, sagt sie.
„Skocik, nicht Kojak“, korrigiere ich sie. Und kann’s nicht fassen.
Ich hätte Skocik ja allerhand zugetraut, zum Beispiel daß er hinter Brunners Rücken der Presse steckt, daß der Herr Doktor Ostbahn viel über den Schlächter von
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