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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Plackerei in der Erde befreien sollte, hat er uns
     auch durch Leichtsinn und falschen und übertriebenen Einsatz schon des Öfteren an den Rand des Ruins gebracht. Dies war so,
     seit es die ersten Traktoren gab, doch am allerschlimmsten war es im Amerika der 1920er Jahre.
    Es wurde bereits erwähnt, dass es dem Traktor zu verdanken ist, dass die großen Prärien des amerikanischen Westens erschlossen
     werden konnten. Doch die auf die frühen Pioniere folgenden Menschen wollten sich mit dem Erreichten nicht zufrieden geben.
     Sie dachten, wenn der Einsatz von Traktoren das Land produktiv werden ließ, würde ein vermehrter Einsatz von Traktoren das
     Land noch produktiver machen. Tragischerweise war dies jedoch nicht der Fall.
    Ein Traktor muss immer als Hilfe und Unterstützung für die Natur verstanden und genutzt werden, nicht als ihr Meister. Seine
     Arbeit hat sich im Einklang mit den klimatischen Bedingungen, der Fruchtbarkeit des Landes und der Demut der ihn einsetzenden
     Bauern zu vollziehen. Andernfalls kommt es zu einer Katastrophe – und genau dies geschah im Mittleren Westen.
    Die neuen Farmer hatten sich nicht mit dem dort herrschenden Klima beschäftigt. Sie klagten zwar darüber, dass es zu wenig
     regnete und zu viel und zu starken Wind gab, doch sie nahmen dies nicht als Warnung wahr und zogen keine Konsequenzen daraus.
     Sie pflügten und pflügten, weil sie glaubten, je mehr sie pflügten, desto größer würde ihr Profit werden. Dann setzten die
     Stürme ein und trugen die ganze umgepflügte Erde davon.
    Das auf diese Weise in den zwanziger Jahren geschaffene Trockengebiet und die extreme Not, die dadurch verursacht wurde, führten
     letztlich zu dem ökonomischen
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Chaos, welches 1929 im Zusammenbruch der amerikanischen Börse kulminierte.
    Doch muss man dem noch hinzufügen, dass die sich von hier aus über die ganze Welt ausbreitende Instabilität und Armut entscheidend
     zum Aufstieg des Faschismus in Deutschland und des Kommunismus in Russland beitrugen, deren ideologischer Zusammenprall fast
     zur Auslöschung der Menschheit geführt hätte.
    Und mit dieser Überlegung möchte ich mich von meinem geneigten Leser verabschieden. Möge er sich der Technik bedienen, die
     Ingenieure entwickeln, doch niemals ohne Demut und Überlegung. Möge er niemals der Technik erlauben, ihn zu beherrschen, und
     niemals versuchen, mit ihrer Hilfe andere Menschen zu beherrschen.
     
    Er macht eine schwungvolle abschließende Gebärde und sieht uns beifallheischend an.
    »Bravo! Bravo, Nikolai Alexejewitsch!«, ruft Dubov und klatscht in die Hände.
    »Bravo, Papa«, rufe ich.
    »Gah – gah«, macht Margaritka, das Baby.
    Vater sammelt die überall auf dem Boden verstreuten Manuskriptblätter ein, wickelt sie sorgfältig in braunes Packpapier und
     bindet sie mit einer Schnur zusammen. Dann reicht er Dubov das Päckchen. »Bitte, Wolodja Simeonowitsch, nehmen Sie es mit
     in die Ukraine. Vielleicht will es dort jemand veröffentlichen.«
    »Nein«, sagt Dubov. »Das kann ich nicht annehmen, Nikolai Alexejewitsch. Das ist doch Ihr Lebenswerk.«
    »Pah«, sagt Vater und hebt bescheiden die Schultern. »Es ist ja jetzt fertig. Nehmen Sie es mit, bitte. Ich habe nun ein anderes
     Buch zu schreiben.«

|336| 30.
Zwei Reisen
    Mit steifem Hals wache ich sehr früh am nächsten Morgen auf. Gestern Abend stand ich vor der Alternative, entweder oben bei
     Stanislav im Etagenbett oder unten auf dem Zweisitzersofa zu schlafen, und ich hatte mich für die zweite Option entschieden.
     Noch ist es draußen nicht ganz hell, der Himmel schiefergrau und bedeckt.
    Hier drinnen herrscht allerdings bereits Hochbetrieb. Im Badezimmer singt Vater. Valentina, Stanislav und Dubov laufen hin
     und her und laden den Wagen voll. Ich mache mir Tee und stelle mich ans Fenster, um ihnen zuzusehen.
    Das Fassungsvermögen des Rolls-Royce ist wirklich erstaunlich. In den Kofferraum wandern zwei enorm große Müllsäcke unbestimmbaren
     Inhalts, zwei Pappkartons mit Stanislavs C D-Sammlung und sein C D-Player , der von hinten unter den Rücksitz geschoben und zwischen zwei riesige Packungen Babywindeln geklemmt wird, außerdem zwei
     Koffer und Dubovs kleiner grüner Rucksack, ein Fernsehapparat (woher hat sie den?) und ein Frittiergerät (und woher hat sie
     das?), ein Karton mit allerlei Fertiggerichten und einer mit Makrelendosen, der tragbare Fotokopierer, der blaue Staubsauger
     für gebildete Leute (den, wie Vater mir später

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