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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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kann er – bekommt eine englische Erziehung. Abends werden sie
     über Kunst und Literatur und Philosophie diskutieren. Sie ist eine kultivierte Frau, keine Quasseltante vom Land. Übrigens
     hat er sie auch schon gefragt, was sie von Nietzsche und Schopenhauer hält, und sie ist, was die beiden betrifft, absolut
     seiner Meinung. Und wie er selbst ist sie voll und ganz für den Konstruktivismus und kann den Neoklassizismus nicht leiden.
     Sie haben viele Gemeinsamkeiten. Für eine Ehe ist das eine gute Grundlage.
    |10| »Aber meinst du nicht, Papa, dass es für sie besser wäre, jemanden zu heiraten, der ihr altersmäßig etwas näher ist? In der
     Behörde merken sie doch, dass es sich um eine Zweckehe handeln wird. Die sind doch nicht auf den Kopf gefallen.«
    »Hmm.«
    »Und dann wird sie vielleicht in die Ukraine zurückgeschickt.«
    »Hmm.«
    Daran hat er nicht gedacht. Es nimmt ihm einen Moment lang den Wind aus den Segeln, aber vom Kurs bringt es ihn noch lange
     nicht ab. Er ist ihre letzte Hoffnung, erklärt er mir, ihre einzige Chance, um der Verfolgung, dem Mangel und der Prostitution
     zu entkommen. Das Leben in der Ukraine ist zu hart für ein so zartes Wesen. Er liest doch die Zeitungen, und was da berichtet
     wird, ist schrecklich. Es gibt kein Brot, kein Toilettenpapier, keinen Zucker, keine Kanalisation, das ganze Staatswesen ist
     korrupt, und Strom gibt es auch nur ab und zu. Er kann doch nicht eine wunderbare Frau wie sie zu so einem Leben verdammen?
     Er kann doch nicht einfach auf der Sonnenseite an ihr vorbeigehen?
    »Versteh doch, Nadeshda, ich bin der Einzige, der sie retten kann.«
    Wirklich – er hat ja alles versucht. Er hat sein Bestes getan. Bevor er auf die Idee kam, sie selbst zu heiraten, hat er sich
     überall nach einem passenden Ehemann für sie umgehört. Er hat bei den Stepanenkos angefragt, einem älteren ukrainischen Ehepaar,
     das einen ledigen Sohn hat, der noch bei ihnen lebt. Er war bei Mr.   Greenway, einem Witwer aus dem Dorf, dessen unverheirateter Sohn ihn manchmal besuchen kommt. (Ein intelligenter Mann übrigens,
     Ingenieur. Kein Durchschnittstyp. Würde gut zu Valentina passen.) Alle haben dankend abgelehnt. Sie sind einfach zu |11| engstirnig. Was er ihnen auch ganz offen ins Gesicht gesagt hat. Seither reden weder die Stepanenkos noch Mr.   Greenway mehr mit ihm.
    Und die ukrainische Gemeinde in Peterborough will auch nichts von ihr wissen. Die sind auch engstirnig. Valentinas Ansichten
     über Nietzsche und Schopenhauer beeindrucken sie gar nicht. Die kleben alle an der Vergangenheit, ukrainischer Nationalismus,
     diese Banderiwtsi. Valentina ist eine moderne, selbständige Frau. Ganz böse Gerüchte haben sie über sie in die Welt gesetzt.
     Haben behauptet, sie hätte die Ziege und die Kuh ihrer Mutter verkauft, bloß um sich selbst Schminke kaufen zu können und
     sich Männer aus dem Westen zu angeln. Das ist Quatsch. Valentinas Mutter hatte Hühner und Schweine, aber doch keine Ziege
     und keine Kuh. So viel dazu – nur um zu zeigen, was für dummes Zeug da zusammengeredet wird.
    Er hustet und keucht mächtig ins Telefon hinein. Mit allen seinen Freunden hat er sich deswegen schon zerstritten. Wenn es
     sein muss, wird er sogar seine eigenen Töchter enterben. Er wird das durchziehen, er allein gegen den Rest der Welt, solange
     nur diese wundervolle Frau zu ihm hält.
    Er ist so hingerissen von dieser Idee, dass er mit Worten kaum nachkommt.
    »Aber Papa   …«
    »Und noch etwas, Nadia: kein Wort darüber zu Vera.«
    Ziemlich unnötig, dieser Hinweis. Ich habe mit meiner Schwester schon seit zwei Jahren nicht mehr geredet. Seit wir unsere
     Mutter begraben haben.
    »Aber Papa   …«
    »Nadeshda, du musst einfach verstehen, dass Männer in gewisser Beziehung anderen Trieben gehorchen als Frauen.«
    »Papa, bitte bleib mir mit diesem biologistischen Determinismus vom Leib.«
    |12| Aber zum Teufel – soll er doch. Wenn er nicht hören will, muss er eben fühlen.
     
    Kann sein, dass es schon vor diesem Anruf begann. Kann sein, dass es vor zwei Jahren begann, in ebendem Zimmer, in dem er
     jetzt sitzt. In diesem Zimmer, in dem damals meine Mutter lag und auf den Tod wartete, während der Kummer Vater durchs Haus
     trieb.
    Durch die weit geöffneten Fenster und die nur halb vorgezogenen Leinenvorhänge trug der Wind den Duft des Lavendels vom Vorgarten
     herein. Draußen Vogelgezwitscher und Stimmen: Da gingen Leute am Zaun entlang, da flirtete die

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