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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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Niesen, dann ein erstickter Schrei, und wieder verließen sie den Raum auf Zehenspitzen; wieder zählte ich fünf, als sie in den Keller hinuntergingen, jedoch nur vier, als sie von dort zurückkehrten. Mir war klar, daß ich dem Geheimnis nur an Ort und Stelle auf die Spur kommen würde. Also bewaffnete ich mich mit einer Laserpistole und schlich mich im Morgengrauen hinunter in den Keller, wo ich jedoch außer ein paar verkohlten Blechresten und Metallsplittern nichts fand. Ich setzte mich in die dunkelste Ecke, verbarg mich hinter einem Strohballen und wartete; etwa gegen Mittag hörte ich die mir inzwischen vertrauten Geräusche: Rufen und Schreien und den dumpfen Klang von Hämmern. Dann wurde die Tür geöffnet, und vier Legarianer kamen herein, zusammen mit einem fünften, der an Händen und Füßen gefesselt war.
    Dieser fünfte trug ein Wams von altmodischem Schnitt, hellrot mit weißer Halskrause, sowie einen Federhut; er hatte ein pausbäckiges Gesicht mit einer riesigen Knollennase, sein angstverzerrter Mund stammelte ständig unverständliche Worte. Nachdem die Legarianer die Tür verriegelt hatten, befreiten sie den Gefangenen auf ein Zeichen ihres Anführers von seinen Fesseln und fingen an, ihn furchtbar zu verprügeln, wobei sie nacheinander schrien:
    »Nimm den für die Prophezeiung der Glückseligkeit! Und den für die Vollkommenheit des Seins! Der ist für die blaue Blume des Glücks! Und der für den Rosengarten hienieden! Der ist fürs Schlaraffenland! Nimm den für die Altruistische Gemeinschaft! Und den für den Höhenflug des Geistes!«
    Sie traktierten ihn mit Fäusten und gingen dabei so gnadenlos zu Werke, daß er mit Sicherheit seinen Geist aufgegeben hätte, wäre ich nicht mit drohend erhobener Waffe hinter meinem Strohballen hervorgekommen. Nachdem sie von ihrem Opfer abgelassen hatten, fragte ich, weshalb sie denn ein Individuum derart mißhandelten, das offensichtlich weder ein Räuber noch ein gemeiner Lump sei, denn sein Halskragen und die Farbe seines Wamses ließen doch den Schluß zu, daß es sich um einen Gelehrten handle. Die Legarianer waren unschlüssig und warfen sehnsüchtige Blicke auf ihre Gewehre, die sie am Eingang zurückgelassen hatten. Als ich jedoch den Hahn spannte und äußerst finster dreinschaute, besannen sie sich eines besseren, stießen sich mit den Ellenbogen in die Seite und baten ihren Anführer, den mit dem mächtigen Baß, für sie alle zu sprechen.
    »Du mußt wissen, unbekannter Fremdling«, sagte er und wandte sich mir zu, »daß du es hier nicht mit Sadistikern, Maltraitisten oder anderen Degeneratoren der Spezies Roboter zu tun hast, denn wenngleich ein Keller kaum der Ort für rechtschaffene Taten zu sein scheint, so ist doch alles, was hier geschieht, in höchstem Maße schön und lobenswert!«
    »Schön und lobenswert!?« rief ich aus. »Was erzählst du mir da, niederträchtiger Legarianer? Habe ich denn nicht mit eigenen Augen gesehen, wie ihr euch selbfünft auf den armen Kerl im roten Wams gestürzt und ihn mit derart heftigen Schlägen traktiert habt, daß euch das Öl aus den Gelenken spritzte? Und ihr habt die Stirn, das schön zu nennen?«
    »So Euer Fremdländische Gnaden fortfahren, mich zu unterbrechen«, antwortete der Baß, »wird sie nichts begreifen, daher bitte ich selbige höflich, ihre geschätzte Zunge im Zaum zu halten und Sorge zu tragen, daß dem offenbar mühsam zu schließenden Gehege ihrer Zähne kein weiteres Wort entflieht, da ich ansonsten des weiteren Dialogs mit Eurer Alienität entraten muß. Wisse denn, Fremdling, vor dir stehen unsere besten Physizi, sämtliche Kybernisten und Elektrizisten von Rang, mit einem Wort, die ganze Pleiade meiner brillanten und stets wachsamen Schüler, die größten Geister Legarias; ich selbst aber bin Vendetius Ultor de Amentia, Professor der Materie – sowohl der positiven wie der negativen –, Schöpfer der omnigenerativen Rekreatistik, und mein Leben habe ich dem heiligen Werk der Rache gewidmet. Mit Hilfe meiner treuen Jünger räche ich Schmach und Elend meines Volkes an dem dort knienden rotbewamsten Ausbund an Niedertracht, diesem Halunken – verflucht sei sein Name für ewige Zeiten – Malaputz vel Malapusticus Chaoticus, der auf schändliche, schurkische und niederträchtige Weise nicht wiedergutzumachendes Unheil über alle Legarianer gebracht hat! Denn mit allerlei Zauber und Blendwerk sowie mit diabolistischer Phantorhetorik führte er sie in das detrimentale

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