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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Ernstes, du tust ihm unrecht. Er ist nicht bloß christlich, er ist auch protestantisch, so gut wie du und ich. Und wenn du noch zweifelst, so lasse dich durch den Augenschein überzeugen.«
    Und hierbei versuchte van der Straaten aus einem kleinen gelben Couvert, das er schon bereithielt, eine Visitenkarten-Photographie herauszunehmen. Aber Melanie litt es nicht und sagte nur in immer wachsender Heiterkeit: »Sagtest du nicht New York? Sagtest du nicht London? Ich war auf einen Gentleman gefaßt, auf einen Mann von Welt, und nun schickt er sein Bildnis, als ob es sich um ein Rendezvous handelte. Krugs Garten, mit einer Verlobung im Hintergrund.«
    »Und doch ist er unschuldig. Glaube mir. Ich wollte sichergehen, um deinetwillen sichergehen, und deshalb schrieb ich an den alten Goeschen, Firma Goeschen, Goldschmidt und Co.; diskreter alter Herr. Und
da
her stammt es.
Ich
bin schuld, nicht
er
, wahr und wahrhaftig, und wenn du mir das Wort gestattest, sogar ›auf Ehre‹.«
    Melanie nahm das Couvert und warf einen flüchtigen Blick auf das eingeschlossene Bild. Ihre Züge veränderten sich plötzlich, und sie sagte: »Ah,
der
gefällt mir. Er hat etwas Distinguiertes: Offizier in Zivil oder Gesandtschaftsattaché! Das lieb ich. Und nun gar ein Bändchen. Ist es die Ehrenlegion?«
    »Nein, du kannst es näher suchen. Er stand bei den fünften Dragonern und hat für Chartres und Poupry das Kreuz empfangen.«
    »Ist das eine Schlacht von deiner Erfindung?«
    »Nein. Dergleichen kommt vor, und als freie Schweizerin solltest du wissen, daß fremde Sprachen nicht immer gebührende Rücksicht auf die verpönten Klangformen einer anderen nehmen. Ja, Lanni, ich bin mitunter besser als mein Ruf.«
    »Und wann dürfen wir unseren neuen Hausfreund erwarten?«
    »Hausgenossen«, verbesserte van der Straaten. »Es ist nicht nötig, ihn, mit Rücksicht auf seine militärische Charge, so Hals über Kopf avancieren zu lassen. Übrigens ist er verlobt, oder so gut wie verlobt.«
    »Schade.«
    »Schade? Warum?«
    »Weil Verlobte meistens langweilig sind. Sind sie beisammen, so sind sie zärtlich, bedrückend zärtlich für ihre Umgebung, und sind sie getrennt, so schreiben sie sich Briefe oder bereiten sich in ihrem Gemüte darauf vor. Und der Bräutigam ist immer der schlimmere von beiden. Und will man sich gar in ihn verlieben, so heißt das nicht mehr und nicht weniger als zwei Lebenskreise stören.«
    »Zwei?«
    »Ja, Bräutigam und Braut.«
    »Ich hätte drei gezählt«, lachte van der Straaten. »Aber so seid ihr. Ich wette, du hast den dritten in Gnaden vergessen. Ehemänner zählen überhaupt nicht mit. Und wenn sie sich darüber wundern, so machen sie sich ridikül. Ich werde mich übrigens davor hüten, den Mohren der Weltgeschichte, das seid ihr, weißwaschen zu wollen. Apropos, kennst du das Bild ›Die Mohrenwäsche‹?«
    »Ach, Ezel, du weißt ja, ich kenne keine Bilder. Und am wenigsten alte.«
    »Süße Simplicitas aus dem Hause de Caparoux«, jubelte van der Straaten, der nie glücklicher war, wie wenn Melanie sich eine Blöße gab oder auch klugerweise nur so tat. »Altes Bild! Es ist nicht älter als ich.«
    »Nun, dann ist es gerade alt genug.«
    »Bravissimo. Sieh, so hab ich dich gern. Übermütig und boshaft. Und nun sage, was beginnen wir, wohin gondeln wir?«
    »Ich bitte dich, Ezel, nur keine Berolinismen. Du hast mir doch gestern erst...«
    »Und ich halt es auch. Aber wenn mir wohl ums Herze wird, da bricht es wieder durch. Und jetzt komm, wir wollen zu Haas und uns einen Teppich ansehn... ›Gerade alt genug...‹ Vorzüglich, vorzüglich... Und nun sage, Papchen, wie heißt die schönste Frau im Land?«
    »Melanie.«
    »Und die liebste, die klügste, die beste Frau?«
    »Melanie, Melanie.«
    »Gut, gut... Und nun gehab dich wohl, du Menschenkenner!«
     
Viertes Kapitel
     
Der engere Zirkel
    Die »drei gestrengen Herren« waren ganz ausnahmsweise streng gewesen, aber nicht zu Verdruß beider van der Straatens, die vielmehr nun erst wußten, daß der Winter all seine Pfeile verschossen und unweigerlich und ohne weitere Widerstandsmöglichkeit seinen Rückzug angetreten habe. Nun erst konnte man freien Herzens hinaus, hinaus ohne Sorge vor frostigen Vormittagen oder gar vor Eingeschneitwerden über Nacht. Alles freute sich auf den Umzug, auch die Kinder, am meisten aber van der Straaten, der, um ihn selber sprechen zu lassen, »unter allen vorkommenden Geburtsszenen einzig und allein der des Frühlings

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