Lady Chatterley (German Edition)
kam wieder in sein Gesicht.
«Man kann sich nur wundern», sagte er endlich, «daß solche Kreaturen geboren werden dürfen.»
«Welche Kreaturen?» fragte sie.
Er sah sie unheimlich an, ohne Antwort. Es war ganz deutlich, daß er nicht einmal die Tatsache von Mellors’ Existenz in Zusammenhang mit seinem eigenen Leben hinnehmen konnte. Es war schierer, unaussprechlicher, impotenter Haß.
«Und willst du behaupten, daß du ihn heiraten willst? – und seinen stinkenden Namen tragen?» fragte er nach einer Weile.
«Ja, das will ich.»
Wieder war er wie vor den Kopf geschlagen.
«Ja!» sagte er schließlich. «Das zeigt mir, daß ich recht hatte mit dem, was ich immer dachte: du bist nicht normal, du bist nicht bei Verstand. Du gehörst zu diesen halb irrsinnigen, perversen Frauen, die der Verworfenheit nachrennen müssen, der nostalgie de la boue .»
Plötzlich war er geradezu tiefschürfend moralisch, sah sich selbst als die Inkarnation des Guten und Menschen wie Mellors und Connie als die Inkarnation des Schmutzes, des Bösen. Es war, als zerfließe er in einem Heiligenschein.
«Hältst du es deshalb nicht für das Beste, wenn du dich von mir scheiden läßt und nichts mehr zu tun hast mit dem Ganzen?» fragte sie.
«Nein! Du kannst gehen, wohin du willst, aber ich werde mich nicht von dir scheiden lassen», sagte er idiotisch.
«Warum nicht?»
Er schwieg – das Schweigen stumpfsinniger Verstocktheit.
«Würdest du sogar das Kind als deines anerkennen und als deinen Erben?» fragte sie.
«Das Kind ist mir egal.»
«Aber wenn es ein Junge ist, wird es gesetzlich dein Sohn sein, und es wird deinen Titel erben und Wragby bekommen.»
«Das interessiert mich nicht», sagte er.
«Aber es muß dich interessieren! Ich werde es verhindern, wenn ich kann, daß das Kind gesetzlich deines wird. Lieber wollte ich, daß es als illegitim erklärt würde und mir gehörte – wenn es schon nicht als Mellors’ gelten kann.»
«Mach es ganz so, wie es dir beliebt.»
Er war nicht zu bewegen.
«Willst du dich nicht doch scheiden lassen?» fragte sie. «Du kannst Duncan als Vorwand nehmen. Es würde nicht nötig sein, den richtigen Namen zu erwähnen. Duncan macht es nichts aus.»
« Ich werde mich nie scheiden lassen», sagte er; es klang, als würde ein Nagel eingeschlagen.
«Aber warum nicht? Weil ich dich darum bitte?»
«Weil ich meiner eigenen Neigung folge, und ich bin nicht geneigt dazu.»
Es war zwecklos. Sie ging hinauf und berichtete Hilda den Ausgang.
«Das Beste ist, du gehst morgen», sagte Hilda, «und läßt ihn zu Verstand kommen.»
So verbrachte Connie also die halbe Nacht damit, ausschließlich ihre persönlichsten Dinge zusammenzupacken. Am Morgen ließ sie die Koffer zum Bahnhof schaffen, ohne es Clifford zu sagen. Sie entschied, ihm nur noch Lebwohl zu sagen, vor dem Lunch.
Aber sie sprach mit Mrs. Bolton.
«Ich muß mich von Ihnen verabschieden, Mrs. Bolton. Sie wissen, warum, aber ich kann mich darauf verlassen, daß Sie nicht darüber sprechen.»
«Oh, Sie können sich auf mich verlassen, Euer Gnaden, wenn es auch ein harter Schlag ist für uns hier, wirklich! Aber ich hoffe, Sie werden glücklich mit dem andern Herrn.»
«Mit dem andern Herrn! Es ist Mr. Mellors, und ich liebe ihn. Sir Clifford weiß es. Aber sagen Sie niemandem etwas. Und wenn Sie eines Tages das Gefühl haben, daß Sir Clifford bereit sein würde, sich von mir scheiden zu lassen, dann lassen Sie es mich wissen, ja? Ich möchte verheiratet sein mit dem Mann, den ich liebe.»
«Das glaube ich Ihnen, Mylady. Oh, Sie können sich auf mich verlassen. Ich werde treu zu Sir Clifford halten und treu zu Ihnen, denn ich kann sehen, daß Sie beide recht haben, jeder auf seine Weise.»
«Ich danke Ihnen! Und sehen Sie her – ich möchte Ihnen dies hier geben – darf ich? –»
So zog Connie abermals von Wragby fort, und sie fuhr mit Hilda nach Schottland. Mellors ging aufs Land und nahm Arbeit auf einem Bauernhof an. Der Plan war, daß er seine Scheidung durchsetzen sollte, wenn irgend möglich – ganz gleich, ob Connie die ihre erreichte oder nicht. Und sechs Monate lang sollte er in der Landwirtschaft arbeiten, so daß er und Connie sich unter Umständen einen eigenen kleinen Hof anschaffen könnten, in den er seine Energie stecken konnte. Denn er würde irgendeine Arbeit tun müssen, harte Arbeit sogar, und er würde für seinen eigenen Lebensunterhalt aufkommen müssen, wenn ihr Kapital ihm auch den
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