Lady Chatterley (German Edition)
Pfingsten ist nicht ganz richtig. Ich und Gott – das ist irgendwie ein bißchen anmaßend. Aber die kleine züngelnde Flamme zwischen mir und Dir: ja, die! Daran halte ich mich, werde ich mich immer halten, allen Cliffords und Berthas, Bergwerksgesellschaften und Regierungen und der ganzen Masse des Geldes zum Trotz.
Darum mag ich nicht anfangen, an Dich zu denken. Es foltert mich nur, und Du hast nichts davon. Ich will nicht, daß Du fern von mir bist. Aber wenn ich anfange, mich zu grämen, geht etwas kaputt. Geduld, immer Geduld. Dies ist mein vierzigster Winter. Und ich kann nichts für all die Winter, die gewesen sind. Aber diesen Winter will ich mich an meine kleine Pfingstflamme halten und ein wenig Frieden haben. Und ich werde sie nicht auslöschen lassen vom Atem der Menschen. Ich glaube an ein höheres Mysterium, das nicht einmal den Krokus auslöschen läßt. Und wenn Du auch in Schottland bist und ich in den Midlands und ich meine Arme nicht um Dich legen kann und nicht meine Beine um Dich schlingen, habe ich doch etwas von Dir. Meine Seele wiegt sich sanft mit Dir in der kleinen Pfingstflamme – wie im Frieden des Fickens. Wir haben eine Flamme ins Sein gefickt. Sogar die Blumen sind ins Sein gefickt von der Sonne und der Erde. Doch das ist eine schwierige Sache und braucht Geduld und die große Pause.
So liebe ich denn jetzt die Keuschheit, weil sie der Friede ist, der dem Ficken entspringt. Ich liebe es, jetzt keusch zu sein. Ich liebe es, wie Schneeglöckchen den Schnee lieben. Ich liebe diese Keuschheit, die die friedvolle Pause unseres Fickens ist und jetzt zwischen uns steht wie ein Schneeglöckchen aus züngelndem weißem Feuer. Und wenn der wirkliche Frühling kommt und unser Beieinandersein, dann können wir die kleine Flamme zu strahlender gelber Helle ficken. Aber nicht jetzt, noch nicht! Jetzt ist die Zeit, keusch zu sein; es ist so gut, keusch zu sein – wie ein Strom kühlen Wassers in meiner Seele. Ich liebe die Keuschheit jetzt, die zwischen uns fließt. Sie ist wie frisches Wasser und Regen. Wie können Männer dies Verlangen haben, bis zum Überdruß wahllos herumzuschlafen. Welch ein Unglück, wie Don Juan zu sein und unfähig, jemals sich in Frieden zu ficken und die kleine Flamme zu hellem Feuer, unfähig, keusch zu sein in den kühlen Zwischenzeiten, gekühlt wie von einem Strom!
So viele Worte, weil ich Dich nicht berühren kann! Wenn ich schlafen könnte mit meinen Armen um Dich, könnte die Tinte im Faß bleiben. Wir könnten keusch zusammen sein genau so, wie wir miteinander ficken konnten. Aber wir müssen eine Weile getrennt voneinander sein, und ich glaube, es ist wirklich das Klügste so. Wenn man nur sicher wäre!
Aber laß nur, laß, wir wollen uns nicht aufregen. Wir vertrauen auf die kleine Flamme, auf den namenlosen Gott, der sie davor behütet, ausgelöscht zu werden. So viel von Dir ist hier bei mir, daß es ein Jammer ist, daß Du nicht ganz hier bist.
Mach Dir keine Gedanken über Sir Clifford. Wenn Du nichts von ihm hörst, mach Dir keine Gedanken. Er kann Dir wirklich nichts anhaben. Warte, er wird Dich schließlich los sein wollen, Dich von sich stoßen wollen. Und wenn er es nicht tut, werden wir es zuwege bringen, uns von ihm fernzuhalten. Aber er wird es tun. Er wird Dich am Ende ausspeien wollen als einen Gegenstand des Ekels.
Jetzt kann ich nicht einmal aufhören, Dir zu schreiben.
Aber sehr viel von uns ist beieinander, und wir können nur dazu stehen und unsere Wege zueinander lenken, damit wir bald zusammenkommen. John Thomas sagt Lady Jane gute Nacht, ein wenig freudlos zwar, aber mit hoffnungsvollem Herzen.»
Informationen zum Buch
Diese Geschichte einer alle Fesseln der Konvention sprengenden Leidenschaft ist ein klassisches erotisches Meisterwerk und einer der großartigsten Romane des 20. Jahrhunderts.
Informationen zum Autor
David Herbert Lawrence wurde am 11. September 1885 als Sohn eines Bergarbeiters und einer Lehrerin in Eastwood (Nottinghamshire) geboren. Zunächst Lehrer, mußte er diesen Beruf wegen seines Lungenleidens aufgeben, dem er 1930 erliegen sollte.
Von 1912 an lebte er als freier Schriftsteller. In diesem Jahr lernte er Frieda Weekly, geborene Freiin von Richthofen, eine Deutsche, kennen. Sie bereisten Deutschland und Italien und heirateten 1914 in England. Nach dem Krieg unternahmen sie Reisen nach Australien, Neuseeland, Tahiti, Ceylon und Mexiko. 1926 kehrte das Ehepaar nach Italien zurück, und hier schloß
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