Ladylike
und den Gärtner, der die anstrengenden Arbeiten übernimmt. Bis jetzt hat Anneliese schon oft und gut gekocht; wenn ich an der Reihe bin, greife ich gelegentlich in die Kühltruhe und schiebe ein Fertiggericht in die Mikrowelle. Einmal habe ich auch den Pizza-Service bestellt, aber das hält Anneliese für allzu frivol. Eigentlich führen wir ein paradiesisches Leben.
Mein Sohn Christian wohnt in Berlin. Als ich noch in Wiesbaden lebte, kam er auf seinen Geschäftsreisen immer mal vorbei, denn vom Frankfurter Flughafen bis zu mir war es ein Katzensprung. Jetzt ist das ein bißchen umständlicher geworden; trotzdem machte er auf seiner letzten Tour einen Abstecher nach Schwetzingen.
»Ich muß doch mal sehen, was du dir für ein Nest gebaut hast, und kontrollieren, ob ihr euch auch vertragt«, sagte er scherzhaft und ließ sich von der Mansarde bis zum Keller alle Räume zeigen.
»Vielleicht solltet ihr …« begann er zögernd, räusperte sich und überlegte wohl, wie er es diplomatisch ausdrücken könnte, »… vielleicht wäre alles noch viel netter, gemütlicher und praktischer, wenn ihr einen Teil der alten Möbel auf den Sperrmüll …« Er brach ab, weil er unsere entsetzten Gesichter sah.
»Nichts für ungut«, meinte er lachend, »ich wollte euch nicht zu nahe treten. Aber man kann sich ja kaum rühren! Jeden Winkel habt ihr vollgestopft!«
Er hat natürlich recht. Aber was soll man machen, wenn jede von uns nur ungern etwas wegwirft? Wir besitzen beide unseren eigenen Hausrat, angewachsen in vielen Jahren, ausreichend für eine komplette Familie. Bei mir kam noch dazu, daß ich durch ein Erbe fast alles doppelt besaß und mich so oder so von vielen Dingen trennen mußte. Vor dem Umzug habe ich zum Beispiel meine Küche einer Asylantenfamilie spendiert und bloß die Mikrowelle mitgenommen, die für Anneliese wiederum ein Fremdkörper ist. Doch auch diesen Schritt habe ich bereut, denn mein Herd mit intaktem Ceranfeld war wesentlich moderner als der meiner Freundin.
Christian wollte nicht bei uns übernachten, ein Hotel werde von der Firma bezahlt. Ich habe ein wenig den Verdacht, daß er seine Frau betrügt. Aber das geht mich nichts an.
Nach gutem Zureden blieb er noch auf ein Gläschen Wein und wunderte sich, als Anneliese immer ausgelassener wurde. Schon vor vielen Jahren habe ich registriert, daß sich ihre Stimme verändert, sobald ein Mann den Raum betritt. Mit ihrer Munterkeit steckte sie mich an, und am Ende sangen wir für meinen Sohn Schlager aus unserer Jugendzeit.
Christian hörte belustigt zu. Er kannte aber weder Die Fischerin vom Bodensee noch die Blaue Nacht am Hafen , weder Die Gitarre und das Meer noch Am Tag, als der Regen kam. Bloß Pack die Badehose ein kam ihm nicht völlig fremd vor.
»Und die Beatles?« fragte er. »Gefielen sie euch?«
»Die sind zehn Jahre später an uns vorbeigerauscht«, sagte ich, »in den 60er Jahren hatten wir kleine Kinder und viel zu tun. Wir verpaßten wohl so manches.«
Doch Anneliese fiel mir in den Rücken: »Ich hörte die Beatles gleich zu Beginn ihrer Karriere und fand sie sofort ganz toll«, behauptete sie.
Leider weiß sie wohl immer noch nicht, wie langweilig es für die nächste Generation ist, wenn ihre Eltern von früheren Entbehrungen berichten. Anneliese mußte meinen Sohn unbedingt damit nerven, wie wir als junge Frauen täglich Windeln wuschen und aufhängten und wie gut man es heute mit Pampers, Waschmaschine und Trockner hat.
Als sie noch weitere ausgestorbene Hausarbeiten aufzählte, machte sich Christian auf den Weg. Ich hatte leider keine Minute mit ihm allein sprechen können, aber das ließ sich am Telefon nachholen. Und leider hatte ich auch ganz vergessen, ihn zu bitten, meine Nachttischlampe zu reparieren.
Heute rufe ich bei Christian an und erwische nur meine Schwiegertochter.
»Ich wollte mal hören, wie es euch geht und ob mein Junge wohlbehalten zu Hause angekommen ist«, sage ich.
»Und ich dachte, der liebe Junge weilt immer noch bei seiner Mama«, kontert sie ein wenig spöttisch.
Peinlich, denke ich, er hat zu Hause geschwindelt und seinen Besuch bei mir als Alibi benützt. Also schwenke ich schnell um, frage nach den Kindern und verabschiede mich. Dann versuche ich sofort, Christian übers Handy zu erreichen und zu warnen. Hoffentlich macht er nicht den gleichen Mist wie sein Vater.
Er tut ganz unbefangen. Ja, ursprünglich waren schon ein paar Tage bei mir vorgesehen, aber seine Firma habe
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