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Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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die Hilfskräfte wurden mit Handschlag eingestellt, Arbeitsverträge waren nicht notwendig, und da ich gut zahlte, beklagte sich niemand, jedenfalls nicht bei mir.
    Im April erschien Onkel Gustav, der in Reutlingen einen Baubetrieb besaß. An seinem siebzigsten Geburtstag ein Jahr zuvor hatte er die Firma seinem Sohn übergeben und reiste nun mit der Frau durch die Welt. Von einer Kanadareise zurückgekehrt, wollte er für eine Woche durch den deutschen Osten fahren und mich, den Sohn seines einzigen Bruders, besuchen, bevor er für zwei Monate auf die Malediven flog. Er sah sich die Kiesgruben an und den Sägeplatz und ließ sich meine Akten geben, die er einen ganzen Tag lang bis tief in die Nacht hinein studierte. Am nächsten Morgen sagte er, wir müssten miteinander reden. Wir setzten uns ins Wohnzimmer, Veronika musste uns Kaffee kochen und dann dafür sorgen, dass wir nicht gestört wurden.
    Gustav sah mich lange schweigend an und sagte dann: »Sigurd, du bist ein Kitzerow, du wirst es schaffen wie alle Kitzerows.«
    »Das denke ich doch.«
    »Du hast alles in der Hand, Junge. Du hast gute Voraussetzungen.«
    »Nicht wahr, die Kiesgruben sind eine wahre Goldgrube.«
    »Ja. Und warum verschenkst du das Gold?«
    »Das tu ich nicht, Gustav. Momentan ist der Preis gut, und er steigt noch immer. Der Straßenbau wird für Jahre und Jahrzehnte ein glänzendes Geschäft sein. Und meine Kiesvorkommen sind unermesslich.«
    »Und warum verschenkst du alles?«
    »Tu ich nicht. Brönner und Karlitzke, die beiden Baufirmen,jammern über meine Preise, aber sie sind auf mich angewiesen, wenn sie für den Kies nicht hundert Kilometer fahren wollen.«
    »Fehler Nummer eins, der Kiestransport ist nicht in deiner Hand. Wieso?«
    »Ich habe nicht die Fahrzeuge. Da kostet ein Laster zweihunderttausend, und ich brauchte mindestens vier davon. Wovon soll ich das bezahlen?«
    »Fehler Nummer zwei, wieso verkaufst du überhaupt den Kies? Warum verbaust du ihn nicht selbst?«
    »Ich habe keine Straßenbaufirma. Und ich habe keine Ahnung von dem Geschäft. Ich kenne mich mit Holz aus, und ich will nicht den Esel spielen, der aufs Glatteis geht.«
    »Und darum verschenkst du bares Geld, Sigurd?«
    Dann legte er meinen Aktenordner auf den Tisch, holte ein Schreibheft aus seiner Jackentasche und entwickelte mir seine Pläne. Meine Bedenken und Proteste ignorierte er. Als ich ihn fragte, woher ich für seine Projekte das Geld nehmen sollte und ob er mir solche großen Summen vorstrecken könne, lachte er nur.
    »Nein, so geht das nicht. Das Geld könnte ich dir natürlich leihen, doch das wäre für uns beide zu teuer.«
    Er telefonierte und ließ sich für den nächsten Tag einen Termin beim Direktor der Sparkasse geben. Dann rief er seine Frau in Reutlingen an und sagte, dass sie die Reise auf die Malediven stornieren solle, er habe hier ein paar Wochen zu tun, um mir auf die Beine zu helfen.
    Mit allen Papieren erschienen wir in der Bank. Sandler, den Chef, kannte ich, er begrüßte uns freundschaftlich und fragte nach unseren Wünschen. Als Gustav seine Berechnungen vorlegte und von anderthalb Millionen sprach, lachte Sandler, er hielt es für einen Witz. Gustav überreichte ihm die Papiere, rechnete ihm meinen Besitz vor und wurde energischer, als Sandler sehr zögernd auf unsere Wünsche eingehen wollte. Jeden Einwand des Direktors widerlegtemein Onkel, er schien über Kredite und Kreditvergabe mehr Kenntnisse als der Sparkassenmensch zu besitzen und nannte laufend irgendwelche Paragrafen, die Sandler erst nachschlagen musste. Nach zwei Stunden verabschiedeten wir uns von ihm. Sandler hatte gesagt, er benötige ein oder zwei Wochen, um einen Kredit in dieser Höhe prüfen und genehmigen zu lassen, doch Gustav erreichte, dass er uns den neuen Termin bereits drei Tage später zugestand. Gustav gab mir kein Geld, aber er sprang mit einer befristeten Sofortbürgschaft in Millionenhöhe für mich ein, um die Prüfung und Auszahlung eines Bankkredits zu beschleunigen, und er redete mit den Bankern und ihren Anwälten, als habe er selbst eine Bank und kenne jedes Gesetz.
    Gustav blieb acht Wochen bei uns. Als er abreiste, besaß ich eine eigene Straßenbaufirma und bereits Aufträge für mehr als vierzehn Monate, andererseits hatte ich Bankschulden von über drei Millionen. Als ich Gustav sagte, dass mich die Schulden nervös machten und ich schlecht schlafe, lachte er und sagte: »Wenn du keine Schulden hättest, dann solltest du dir Sorgen

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