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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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den Kopf schoss. War es möglich, mit dem Liber Iuratus des Honorius einen Sensenmann zu beschwören? Aber wenn dies ein Sensenmann sein sollte ... dann wurde diese Geschichte langsam denkbar ungünstig für uns, um an ihr teilzuhaben.
    Ein Sensenmann war der Überlieferung nach ein Geschöpf, das den Tod eines Menschen im Tausch für die Genesung eines anderen herbeiführte.
    Plötzlich war die Gestalt verschwunden und ließ die vor Wahn kreischende Theresa allein zurück.
    „Lucien“, schrie sie in die Nacht. „Mein dummer Schweizer Freund. So lange bist du in die Irre gelaufen. Du und deine nutzlosen Begleiter.“
    Ich spürte einen eisigen Hauch an meiner Wange, als Marius auch schon ein Fauchen von sich gab, sich mit einem Satz über meine Schulter auf den in Schwarz Gehüllten warf und anfing, ihm das Gesicht – oder was auch immer unter der Kapuze verborgen sein mochte – zu zerkratzen.
    Katzen konnten angeblich Todesboten sehen, fiel es mir ein. Menschen nicht, was erklärte, warum Maria und Hagen nicht reagierten.
    Wieso aber sah ich den Sensenmann?
    Das konnte nur heißen ...
    ... es lief mir eisig und glühend heiß zugleich den Rücken hinunter ...
    ... es konnte eigentlich nur heißen, dass das nächste Opfer, das von Theresa Conradi zum göttlichen Strafgericht ausersehen worden war, Lucien Croire hieß.
    „Mist“, fluchte ich und duckte mich unter dem Griff des Kapuzenmannes weg, der anstatt nach mir nach Marius griff und ihn fortwarf.
    „Was tut der Kater da?“, fragte Hagen noch, aber im selben Augenblick dämmerte es wohl auch ihm.
    „Er hat es auf dich abgesehen“, rief er, während ich von Panik gepackt versuchte, den Sensenmann auf Distanz zu halten. Warum hatte er eigentlich keine Sense? Vielleicht, weil es sich um einen der Todesengel des Mars aus Honorius’ Buch handelte? Keine Ahnung, es war auch unwichtig.
    Hagen stieß Maria an.
    „Auf irgendetwas hier muss Luciens Name stehen“, schrie er. „Mit Blut geschrieben.“
    Die beiden rasten los, Theresa in ihrem aus glatten Steinen errichteten Bannkreis entgegen, der von Pergamentrollen und alten Papyri, von Kerzen und Räucherwerk strotzte.
    Doch die Witwe zog eine Pistole und schoss.
    Maria ging zu Boden.
    „Nein“, entfuhr es mir, und ich hastete ohne weiter auf meinen Todesengel zu achten auf die Frau zu, die ich – kaum gewonnen – schon wieder im Begriff war zu verlieren.
    Hagen wollte die Gelegenheit nutzen, die die Witwe zum Nachladen ihres Schießeisens benötigte, um sie zu überwältigen. Doch die schlaue und grässliche Witwe zog eine weitere Pistole, legte auf Hagen an und schoss.
    Hagens Augen weiteten sich, als er begriff.
    Es war zu spät.
    Der Augenblick, in dem einem die letzten Worte, die man auf Erden zu sprechen gedachte, durch den Kopf gingen, war unendlich lang.
    Zumindest war es das, was Hagen später immer erzählte.
    Denn die Kugel verfehlte ihn um Haaresbreite.
    Ein Fuchs hatte sich der tödlichen Witwe in die Kniekehlen geworfen und die Schussbahn abgelenkt. Eine dritte Schusswaffe besaß sie nicht, und Hagen erlangte seine Contenance wieder und rannte sie einfach um.
    Ich kniete über der bewusstlosen Maria. Maria, der Wilden und Ungestümen, der schönen Tochter des Waldes. Ihre Locken waren auf einer Seite blutdurchtränkt, und ich schob sie beiseite, hob die Öllampe und sah, dass die Kugel sie in die Schulter getroffen hatte. Sie würde es mit etwas Glück überleben.
    Doch der eisige Stein, der mir vom Herzen fiel, kehrte im nächsten Augenblick umso größer zurück, als ich eine knorrige Hand auf meiner Schulter spürte.
    Ich fuhr herum und blickte direkt ins Antlitz des Sensenmannes.
    Ein ledriges, zwischen Verwesung und Vertrocknung gefangenes Gesicht mit einem toten Grinsen starrte mich an, und ich begriff, was seine Opfer getötet hatte, denn es begann, auch von mir Besitz zu ergreifen.
    Maßloser Schrecken sog sich wie eiskaltes Wasser in meinen Körper. Bald schon hatte es meine Schulter betäubt und wimmelte dort wie Getier in einer faulenden Wunde und mit dämonischer Häme. Die Panik, die mich erfasste, war unbeschreiblich und das grässlichste aller Gefühle, die ich mir vorzustellen vermochte. Schlimmer als Schmerz und Trauer und stärker als Liebe und Hass. Es war unsagbar grausam zu wissen, dass die Lähmung des eigenen Körpers nicht durch eine Wunde, einen gebrochenen Rücken hervorgerufen wurde, sondern durch die schiere und nackte Angst.
    Ich merkte, wie mir die

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