Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
Luxus-Callgirls in den Tageszeitungen. Und im selben Maß, wie Fernreisen in den siebziger Jahren erschwinglich wurden, hoben die ersten Sexbomber Richtung Fernost ab und importierten auf dem Rückflug Asiatinnen für deutsche Bordelle. Auch wenn die Prostitution ins gesellschaftliche Abseits gedrängt wurde - in einem sozialen Vakuum befand sie sich nie.
Daß die Sexarbeit überhaupt in die Grauzonen des Rotlichts abdriften konnte, ist zumindest teilweise eine Folge staatlicher Moralapostele i, die in Sperrbezirksverordnungen ihren juristischen Niederschlag findet. Diese Regelungen erlauben es den Kommunen, Prostitution in bestimmten Stadtteilen oder der ganzen Stadt, zu bestimmten Tages-oder Nachtzeiten zu verbieten. Ihrem Grundge-danken nach sollen sie die Bevölkerung, vor allem aber die Jugend und die Geschäftswelt, vor den vermeintlich demoralisierenden und geschäftsschädigenden Auswirkungen sexueller Tauschgeschäfte schützen - mit dem Resultat, daß diese dann in ausgewiesene Toleranzzonen abgeschoben werden: geschlossene Bordellstraßen in innerstädtischen Rotlichtvierteln, Großbordelle in zersiedelten Vorstadtregionen, Autobahnauffahrten oder Industriebrachland.3 Doch die Verdrängung der Prostitution in amtlich definierte erogene Stadtzonen hat für die Frauen fatale Konsequenzen. Begrenzte Standplätze in der Straßenprostitution verstärken die Konkurrenz untereinander. Das Verhängen von Bußgeldern führt dazu, daß noch mehr angeschafft wird, um die Bußgeldschulden begleichen zu können. Und vor allem in abgelegenen städtischen Randzonen erhöht sich das Sicherheitsrisiko der Frauen eklatant.
Die staatlich verordnete Ausgrenzung des käuflichen Sex begünstigt genau das, was sie verhindern möchte: darwinistische Rotlicht-Szenarien mit geballter krimineller Energie und Konkurrenzdruck. Die künstliche Verknappung legaler Freiräume und die immense Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen ruft Zuhälter und gierige Betreiber auf den Plan, die das Geschäft mit dem käuflichen Sex kontrollieren und vorhandene Möglichkeiten zur Profitmaximie rung effektiv ausschöpfen. Hinter den blinkenden Fassaden vieler Spaßmeilen herrscht eine eindeutige Rollenverteilung: Die einen schaffen an, die anderen kassieren ab. Die Sperrgebietsverordnungen, ursprünglich als Maßnahmen zum Schutz des öffentlichen Anstandsgefühls erdacht, erweisen sich praktisch überall als Arbeits-beschaffungsmaßnahme für Zuhälter. Und deren Machtmonopole sorgen dafür, daß es in den Toleranzzonen für die Frauen meist alles andere als tolerant zugeht. Im Endeffekt gehen die mit erheblichem Polizeiaufwand umgesetzten Sperrbezirksverordnungen also aus wie das Hornberger Schießen.
Wenn sich der Wandel von der Sexsklaverei zur selbstbestimmten Sexarbeit im ehemaligen West-Berlin besonders schnell und konsequent vollzog, dann vor allem deshalb, weil Sperrbezirke und Toleranzzonen in der Inselstadt Fremdworte waren. Für eine Neudefinition des Begriffs Prostitution erwies sich der aus den Zeiten alliierter Behördenkontrolle stammende sittenrechtliche Sonderstatus als absoluter Standortvorteil. Die für Hamburg oder Frankfurt typischen Laufhäuser, geschlossene Bordellstraßen oder Straßenprostitution an unzugänglichen Autobahnauffahrten - Berlin hat sie nie gesehen. Da es weder räumlich noch zeitlich begrenzte Toleranzzonen gab, in denen Zuhälter nach Belieben schalten und walten konnten, fuhren Polizei und Gesundheitsämter eine vergleichsweise liberale Linie, setzten auf Kooperation und Kontrolle anstatt auf Vertreibung.
Was die juristischen Rahmenbedingungen und die Polizeipraxis in Sachen käuflicher Sex anging, so durfte sich ganz West-Berlin von Reinickendorf bis Neukölln, von Spandau bis Kreuzberg als eine einzige Toleranzzone betrachten. Bereits in den siebziger Jahren florierten hier Alternativen zur klassischen Rotlichtprostitution.
Entspannte Berliner Tradition:
Annika / Bordellbetreiberin
Verglichen mit Städten wie Hamburg oder Frankfurt hat Berlin eine entspannte Tradition, was das Gewerbe angeht.
Manche Gäste aus Westdeutschland erwarten immer noch einen Zuhälter hinter dem Vorhang und sind erstaunt zu hören, daß mein Laden auch ohne männlic hen »Schutz« sehr gut läuft. Aber in Berlin konnten die Frauen schon in den siebziger Jahren ihr eigenes Ding machen und mußten sich niemandem beugen oder sich in irgendeine fremdbestimmte Ordnung einfügen. Die lockere Atmosphäre zog auch
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