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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Domentat
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entwürdigend.
     
    Mit dem Streit um die Schließung des Cafe Pssst! erreichte die Saga der neuen Sexarbeit ihren bislang wohl folgenreichsten juristischen Showdown. Es war im Oktober 1998, als die Kluft zwischen neuen Realitäten und viktorianischen Rechtsnormen aufbrach und eine gesellschaftliche Debatte um eine Neubewertung sexueller Tauschgeschäfte entfachte, die nicht nur die Existenz des Cafe Pssst!
    mitbestimmen sollte, sondern die Zukunft der ganzen Branche. Was die Platzhirsche der Rotlichtprostitution trotz jahrzehntelanger Kungeleien mit ranghohen Politikern sämtlicher Parteien nicht geschafft hatten, setzte eine idealistische und kämpferische Berliner Bordellbetreiberin in weniger als drei Jahren um: die Prostitution vom Makel der Sittenwidrigkeit zu befreien. Der medienträchtige Konflikt machte Felicitas Weigmann zur wohl bekanntesten Bordellchefin Deutschlands und zu einer modernen Ikone des Gewerbes.
    Was als Gesetz endete, hatte als Provinzposse begonnen: Im gutbürgerlichen Wilmersdorf betrieb Felicitas Weigmann offiziell ein Nachtlokal und eine Zimmervermietung - eine gewerberechtliche Konstellation, die einen absurden bürokratischen Kleinkrieg auslöste.
    Im Rotlichtmilieu hatte es sich bis dato eingebürgert, die Gaststättenlizenz und die gewerbliche Zimmervermietung auf zwei Konzessionsträger zu verteilen und damit die Existenz des Bordellbetriebs zu verschleiern. Die Ordnungsbehörden, denen diese Tarnmanöver in der Regel bekannt waren, bestanden dennoch auf deren Einhaltung und duldeten somit auch Läden mit dubiosen Betreibern und undurchsichtigen Arbeitsbedingungen. Als Inhaberin beider Lizenzen stellte Felicitas Weigmann diese Praxis in Frage - aus Sicht des Bezirksamts eine offene Provokation. Als sie sich weigerte, eine der Lizenzen an einen Strohmann abzugeben, drohte das Amt, ihr die Gaststättenlizenz zu entziehen - mit der Begründung, daß durch die Anbahnungsgespräche im Cafe Pssst! die Prostitution gefördert und der Unsittlichkeit Vorschub geleistet würde. Selbst Beamte des für organisierte Kriminalität zuständigen Landeskriminalamtes 212, die das Cafe Pssst! im Gericht wegen seiner vorbildlichen Arbeitsbedingungen lobten, bissen bei den Moralwächtern vom Bezirksamt auf Granit. Als sie dem Betrie b bescheinigten, »aus knminalpolizeilicher Sicht wünschenswert« zu sein, da durch die dortigen Arbeitsbedingungen »dem Abgleiten dieser Branche in den Bereich der organisierten Kriminalität besser entgegengewirkt wird«,4
    verteidigte das Bezirksamt seine Law-and-Order-Linie mit der Begründung, es sei... »absolut unerheblich, ob es sich um ›saubere Bordelle ‹ handelt oder um Bordelle, in denen organisierte Kriminalität stattfindet«. Im Gegenteil: Das Problem seien nicht die schlechten, sondern die guten Arbeitsbedingungen: »Die überaus günstigen Bedingungen, die Ihre Mandantin in ihrem Betrieb für die Prostitutionsausübung schafft«, so das Amt, »bewirken letztlich ein großes psychologisches Hindernis für die Frauen, die sich aus dieser Art des Einkommenserwerbs lösen möchten. Es ist nicht auszuschließen, daß Prostituierte in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten.«5
    Ein Abhängigkeitsverhältnis? In den folgenden Monaten tauchten immer wieder Frauen aus dem Cafe Pssst! in den Medien auf und erklärten, daß sie sich in dem kleinen Puff keineswegs reglementiert fühlten - weder im Hinblick auf ihre persönliche Freiheit noch auf ihre sexuelle Selbstbestimmung. Sie arbeiteten dort völlig zwanglos, auf eigene Rechnung und könnten jederzeit vom Barhocker aufstehen und gehen, sobald sie sich aus dem Sexgewerbe zurückziehen wollten.
    Niemand würde sie mittels körperlicher Gewalt, Nötigung, Drohungen oder Erpressungen gefügig machen und zu sexuellen Handlungen zwingen. Im Gegensatz zu vertraglich geregelten Arbeitsverhältnissen brauchten sie auch keine Kündigungsfristen einzuhalten. Die vom Bezirksamt beschworenen Gefahren drohten jedoch im Falle einer Schließung des Cafe Pssst!. Dann wären sie nämlich gezwungen, in Läden auszuweichen, in denen sie unter Umständen weniger Freiräume hätten.6 Was die Frauen aus dem Cafe Pssst! berichteten, überzeugte auch ein szenefremdes Medienpublikum, daß mit Felicitas Weigmann ausgerechnet an einer Betreiberin ein Exempel statuiert werden sollte, die sich in ihrem Selbstverständnis, Führungsstil und der Gestaltung der Arbeitsbedingungen fundamental von klassischen Zuhältern und ausbeuterischen

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