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Lasst Kinder wieder Kinder sein - Winterhoff, M: Lasst Kinder wieder Kinder sein

Titel: Lasst Kinder wieder Kinder sein - Winterhoff, M: Lasst Kinder wieder Kinder sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Winterhoff
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Mobilgeräten eingegangen zu sein scheinen. Er nimmt es hin und freut sich innerlich auf den Feierabend.

    Daheim angekommen, nimmt er sich vor, in Ruhe zu überlegen, womit er den Abend zubringen möchte. Doch Ruhe scheint ein Fremdwort geworden zu sein. Seine Frau erinnert ihn als Erstes daran, dass er sich mit dem Abendbrot beeilen möge, schließlich müsse man noch Zeit für den sportlichen Ausgleich haben. Will er lieber ein paar Runden laufen, sollen sie ins Fitness-Studio gehen? Als er antwortet, ihm stünde der Sinn eher nach einem Abend auf dem Sofa, vielleicht mit einem guten Film und einem Glas Rotwein, meint er ein leicht panisches Stirnrunzeln wahrzunehmen. »Ja, wenn du meinst, das können wir natürlich auch machen ...« Ihre Antwort klingt nicht überzeugt, eher etwas ratlos und unruhig. Er fragt sich, was daran falsch sein könnte, er hat schließlich frei und kann sich in Ruhe entscheiden, was er mit dieser Zeit anfängt. Der Druck, unter dem seine Frau zu stehen scheint, ist ihm fremd, er kennt das nicht aus dem Jahr 1990 und beginnt langsam, sich zurückzuwünschen.
     
    An dieser Stelle quälen wir unseren Mann nicht weiter, sondern stellen ihm den DeLorean zur Verfügung und programmieren die Zeitmaschine wieder auf das Jahr 1990, damit die liebe Seele Ruh hat.
     
    ...
    Er ist zurück. Und wird von seinen Lieben gefragt, wie es war. Sein erster Reflex ist zu sagen: »Das möchtet ihr gar nicht wissen!« Doch dann denkt er, dass das auch nicht stimmt. Also erzählt er. Von faszinierender Technik, die jedem Menschen an jedem Ort Zugang zu allen nur denkbaren Informationen erlaubt, von Freizeitgestaltungsmöglichkeiten, die jedes 1990 vorstellbare Maß überschreiten. Und er sieht die Augen der
Seinen leuchten. Also blüht eine goldene Zukunft. Dann erzählt er von all den gehetzten Menschen, die er gesehen hat, von der seltsamen Stimmung, dem scheinbar in der Luft liegenden Druck, dem sich viele ausgesetzt fühlten und mit dem sie augenscheinlich nur schwer umgehen konnten. Und die Gesichter der Zuhörer werden schon nachdenklicher.
    »Jeder kann aber doch immer noch für sich selbst entscheiden, ob er sich den Stress antut, oder?«, fragt seine Frau vorsichtig. »Ja, theoretisch schon. Die persönliche Freiheit des Einzelnen hat gegenüber unserer Zeit eher noch zugenommen. Das ist ja das Seltsame. Obwohl jeder alles kann und darf, gibt es eine unsichtbare, gefühlte Dynamik, die viele Menschen in eine bestimmte Richtung treibt und sie nicht zur Ruhe kommen lässt. Sie rotieren den ganzen Tag und hören auch abends nicht damit auf, obwohl sie eigentlich die Möglichkeit dazu hätten. Es ist, als ob eine fremde Macht sie steuert und sie nicht mehr sich selbst gehören.«
    Wie sehen wir Kinder heute?
    »Was wir Kindheit nennen, hat es nicht immer gegeben.«
    (Pressenotiz im TB-Klappentext von Philippe Ariès’ »Geschichte der Kindheit«)
     
    Es ist immer schwierig, im Zusammenhang mit Kindern von negativen Entwicklungen zu sprechen. Man macht sich schnell zum Buhmann, der etwas ausschließlich Positives schlechtzureden versucht. Sobald das Wort Kinder in Zusammenhang mit Problemanalysen fällt, scheint ein Teil der
Leser und Zuhörer einfach »dicht«zumachen, empfindet jegliche Diskussion als unangebracht und würde sie manches Mal wohl am liebsten verbieten. Das ist schade, weil es mitunter notwendige Debatten verhindert und weder Kindern noch Eltern irgendeinen Nutzen bringt. Im Gegenteil: Das krampfhafte Betonen der eigentlich selbstverständlichen Tatsache, dass Kinder etwas Wunderbares und Liebenswertes sind, zeigt nur, dass diese Selbstverständlichkeit und damit eben auch der intuitive Umgang mit Kindern abhanden gekommen sind. Es wäre hilfreich, sich konstruktiv und objektiv mit solchen Fehlentwicklungen zu beschäftigen, anstatt zu unterstellen, es gehe darum, Kinder schlechtzumachen. Darum kann es genauso wenig gehen wie um eine Idealisierung. Beides behindert einen natürlichen Umgang mit Kindern, der diesen die bestmögliche Entwicklung ermöglicht.
    Das 20. Jahrhundert hat in unserer westlichen Kultur für den Blick auf Kinder erhebliche Veränderungen und dabei vor allem Verbesserungen mit sich gebracht. Kinderarbeit ist verpönt, gesetzliche Schutzbestimmungen sind erheblich ausgeweitet worden, körperliche Strafen im Zusammenhang mit Kindererziehung sind gesellschaftlich geächtet. Ohne Zweifel: Die Gesellschaft hat in dieser Hinsicht viel geleistet.
    Bei einem so

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