Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
Beinen taumelte ich zu den Rolltreppen, fuhr an die Oberfläche und wurde von dem Strom der Fußgänger, die sich von dieser Tragödie entfernten, mitgezogen. Zwei Streifenwagen mit offenen Türen und blinkenden Lichtern blockierten bereits den Eingang. Sirenen kündigten weitere an.
Ich hätte bleiben, meine Geschichte erzählen und den Rest der Polizei überlassen sollen. Mir war übel, das Gemetzel, das wir offensichtlich nicht verhindern konnten, ekelte mich an. Angst um Kit zwickte in meinen Eingeweiden wie körperlicher Schmerz und überlagerte Vernunft und Pflichtgefühl.
Ich löste mich aus der Menge und rannte davon.
38
Meine Hände zitterten immer noch, als ich meine Wohnungstür aufsperrte. Ich rief, erwartete aber keine Antwort.
Aus meiner Aktentasche zog ich den Umschlag, den Charbonneau mir von Roy übergeben hatte. Ich überflog das Protokoll, sah auf die Uhr und eilte hinunter in die Garage.
Obwohl der Stoßverkehr langsam schwächer wurde, war Centre-ville noch immer verstopft. Mit rasendem Herzen, die Hände schweißfeucht am Lenkrad, kroch ich, oft im Leerlauf, vorwärts, bis ich schließlich freie Fahrt hatte, den Berg hochschoss und auf einen Parkplatz gegenüber dem Lac aux Castors einbog.
Die Friedhöfe breiteten sich vom Chemin Remembrance hügelwärts aus, Städte der Toten, die bis zum Horizont reichten. Nach Roys Karte lag Dorseys Platz dicht an der Umgrenzungsmauer, nur zwanzig Meter vom Südtor entfernt. Der Leichenzug würde aus Osten kommen und den Friedhof auf der mir gegenüberliegenden Seite betreten.
Ich wischte mir die Hände an den Jeans ab und sah auf die Uhr.
Bald.
Normalerweise fanden sich am frühen Morgen nur wenige Menschen auf dem Berg ein, aber an diesem Tag säumten Trauergäste die Straße und standen an der Zufahrt, die durch das Tor führte. Andere wanderten zwischen den Bäumen und Grabsteinen auf dem Friedhofsgelände umher. Die rituelle Heuchelei kam mir unwirklich vor. Heathens und Rock Machine, die mit großem Zeremoniell den Kameraden zu Grabe trugen, den sie selbst umgebracht hatten.
Bemannte Streifenwagen parkten mit blinkenden Lichtern und knisternden Funkgeräten zu beiden Seiten der Remembrance. Ich schloss mein Auto ab und lief über die Straße, wobei ich auf dem neuen Gras ausrutschte, das auf dem Mittelstreifen spross. Während ich am Straßenrand entlangeilte, musterte ich die Trauergäste. Die meisten waren jung, männlich und weiß. Ich entdeckte Charbonneau, der an einem Streifenwagen lehnte, aber von Crease oder Kit war nichts zu sehen.
Am Tor hielt mich ein Uniformierter auf.
»Moment mal. Immer langsam, Madam. Es tut mir Leid, aber hier findet in Kürze eine Beerdigung statt, und dieser Eingang ist geschlossen. Sie müssen weitergehen.«
Er streckte beide Arme aus, als wollte er mich, wenn nötig, mit Gewalt am Eintreten hindern.
»Dr. Temperance Brennan«, sagte ich. »Carcajou.«
Er verzog skeptisch das Gesicht und wollte eben etwas erwidern, als ein scharfer Pfiff die Luft zerriss. Wir drehten uns beide um.
Claudel stand auf einer Anhöhe ein Stückchen hinter Dorseys Grab. Als er unsere Aufmerksamkeit hatte, winkte er knapp. Der Wachposten deutete auf mich, und Claudel nickte. Mit missbilligendem Blick ließ er mich durch das Tor.
Die Friedhöfe am Mont-Royal sind merkwürdige, aber wunderschöne Orte, weite Flächen eleganter Landschaftsgestaltung und reich geschmückter Grabarchitektur, die sich über die Kuppen und Senken des Bergs erstrecken. Mont-Royal. Der Jüdische. Notre-Dame-des-Neiges.
Letzterer ist für die katholischen Toten. Einige ruhen in pompösen Grüften und Grabmalen, andere unter schlichten Gedenkplatten und einem auf zehn Jahre befristeten Pachtvertrag. Seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurden hier über eine Million Seelen zur letzten Ruhe gebettet. Die Anlage enthält Mausoleen, Krematorien, Urnenhallen und traditionellere Grabstellen.
Es gibt Abteilungen für die Polen, die Vietnamesen, die Griechen und die Franzosen.
Und die Engländer. Besucher können sich Karten kaufen, auf denen die Gräber der Montrealer Berühmtheiten markiert sind. Das Familiengrab der Dorseys lag in der Troie-Abteilung, nicht weit entfernt vom Grab von Marie Travers, der Sängerin aus den Dreißigern, die als La Bolduc bekannt wurde.
Wichtiger an diesem Tag war aber, dass das Begräbnis keine zehn Meter vom Chenun Remembrance entfernt stattfinden würde. Roys Berater gingen davon aus, dass für einen Anschlag, falls
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