Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
eine Autopsie in diesem Raum.
Ich kämpfte meine Gefühle nieder und berichtete kurz über die Fortschritte, die ich bei meinen eigenen Fällen machte; zwei Motorradfahrer, die sich aus eigener Torheit selbst in die Luft gejagt hatten und deren Leichen ich nun wieder zusammenzusetzen versuchte. Dann fragte ich LaManche, wann die prämortalen medizinischen Unterlagen der beiden verfügbar seien, und er antwortete, die Akten seien bereits angefordert und sollten am Montag eintreffen.
Ich dankte ihm und kehrte zurück zu meiner eigenen grausigen Arbeit. Während ich Gewebe sortierte, dachte ich an das Gespräch mit LaManche vom Tag zuvor und wünschte mir, ich wäre noch in den Wäldern von Virginia. Hatte LaManche mich wirklich erst gestern angerufen? Zu dem Zeitpunkt war Emily Anne noch am Leben.
So viel kann sich in vierundzwanzig Stunden ändern.
2
Am Tag zuvor hatte ich einen Leichenbergungs-Workshop an der FBI-Academy in Quantico abgehalten. Mein Team aus Spurensicherungstechnikern grub eben sein Skelett aus und kartografierte es, als ich einen Special Agent durch die Bäume auf uns zukommen sah. Er berichtete, dass ein Dr. LaManche mich dringend zu sprechen wünsche. Mit einer komischen Vorahnung verließ ich mein Team.
Während ich mir einen Weg aus dem Wald heraus und zur Straße suchte, dachte ich an LaManche und daran, was dieser Anruf wohl zu bedeuten hatte. Ich arbeitete als Gutachterin für das Laboratoire de Sciences Judiciaires et de Médecine Légale, LSJML, dem Institut für Forensik und Gerichtsmedizin, seit ich Anfang der Neunzigerjahre im Rahmen eines Fakultätsaustausches zwischen der McGill und meiner Heimatuniversität in Charlotte nach Montreal gekommen war. Da LaManche wusste, dass ich in den Staaten als amtlich zugelassene forensische Anthropologin arbeitete, war er natürlich neugierig gewesen, ob ich auch ihm von Nutzen sein konnte.
Die Provinz Quebec hatte ein zentralisiertes Coroner -System mit bestens ausgestatteten Forensik- und Gerichtsmedizinlaboren, aber keinen amtlich zugelassenen forensischen Anthropologen. Damals fungierte ich, wie auch jetzt noch, als Beraterin für das Büro des Obersten Leichenbeschauers von North Carolina, und LaManche wollte mich für das LSJML. Das Ministerium finanzierte ein Anthropologielabor, und ich schrieb mich für einen Intensivkurs in Französisch ein. Seit einem Jahrzehnt bringt man mir die skelettierten, verwesten, mumifizierten, verbrannten und verstümmelten Leichen Quebecs, damit ich sie untersuche und identifiziere. Wenn eine konventionelle Autopsie keine Ergebnisse bringt, versuche ich, den Knochen zu entlocken, was ich kann.
Nur sehr selten hatte LaManche mir eine Nachricht mit dem Vermerk »Dringend« hinterlassen. Und wenn er es getan hatte, war es nie etwas Gutes gewesen.
Nach wenigen Minuten erreichte ich einen Transporter, der am Rand eines Kieswegs geparkt stand. Ich löste die Haarspange und fuhr mir mit den Fingern über die Kopfhaut.
Keine Zecken.
Nachdem ich die Haare wieder zusammengefasst hatte, holte ich meinen Rucksack aus dem Laderaum des Transporters und fischte mein Handy aus der Seitentasche. Der winzige Monitor zeigte mir, dass ich drei Anrufe verpasst hatte. Ich rief die Nummernliste auf. Alle drei waren aus dem Institut gekommen.
Ich versuchte zu wählen, aber die Verbindung brach immer wieder ab. Deshalb hatte ich das Handy im Auto gelassen. In den letzten zehn Jahren war mein Französisch ziemlich flüssig geworden, aber Hintergrundgeräusche und schlechte Verbindungen bereiteten mir oft Schwierigkeiten. Und da jetzt ein schwacher Empfang und die Fremdsprache zusammenkamen, war eine erfolgreiche Verständigung über diesen Apparat so gut wie unmöglich. Ich musste also zum Hauptquartier marschieren.
Ich zog meinen Tyveck-Overall aus und warf ihn in eine Kiste im Transporter. Dann schulterte ich meinen Rucksack und machte mich auf den Weg den Hügel hinunter.
Hoch über den Bäumen kreiste ein Falke. Der Himmel war strahlend blau, nur hier und dort trieben einige Wolken wie Wattebäusche dahin. Normalerweise wird dieser Kurs im Mai abgehalten, und wir hatten befürchtet, dass der diesjährige Apriltermin Regen und niedrige Temperaturen bedeuten könnte. Aber kein Problem. Das Thermometer zeigte über fünfundzwanzig Grad.
Im Gehen achtete ich auf die Geräusche um mich herum. Der Kies, der unter meinen Stiefeln knirschte. Vogelgezwitscher. Das Rotorknattern von Hubschraubern im Tiefflug. Das Knallen
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