Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
ein paar Mal tief durch, krümmte und streckte die Finger und lehnte mich zurück. Dann starrte ich hinunter auf die Kinder, die zwölf Stockwerke tiefer im Schulhof spielten.
Ich war verärgert wegen Dorsey. Ich war enttäuscht von Claudels sturer Weigerung, mir zuzuhören. Ich war gekränkt, weil der Mann offensichtlich Schritte unternommen hatte, um meine Mitarbeit bei der Carcajou zu beenden.
Ich war wütend auf Claudel, aber ich war nicht weniger wütend auf mich selbst. Ich hasse es, die Beherrschung zu verlieren, aber anscheinend konnte ich bei Streitgesprächen mit Claudel nicht anders. Doch es steckte noch mehr dahinter.
Ich gab es zwar nicht gerne zu, aber Claudel schüchterte mich noch immer ein. Und ich suchte noch immer seine Zustimmung. Obwohl ich überzeugt war, in der Vergangenheit schon an Boden gewonnen zu haben, betrachtete mich der Mann offensichtlich noch immer mit Geringschätzung. Das ließ mich nicht kalt. Und das ärgerte mich. Außerdem wusste ich, dass es falsch gewesen war, ihn nicht wenigstens über meine Unterhaltung mit Dorsey zu informieren. Ermittlungsteams verlangen, dass jedes Mitglied immer über alles informiert ist, und zwar völlig zu Recht. Weil ich wusste, dass er mich nicht zum Team rechnete, hatte ich es vorgezogen, ihn nicht zu informieren. Nur war er einer der Hauptermittler im Cherokee-Fall. Durch mein Verhalten hatte ich ihm eine Waffe gegen mich in die Hand gegeben.
»Zum Teufel mit ihm.«
Ich wandte den Blick von dem Ballspiel unten auf dem Platz ab und schaute mich in meinem Büro um. Artikel, die abgelegt werden mussten. Formulare, die ausgefüllt werden mussten, damit Überreste vernichtet werden konnten. Telefonnachrichten. Eine Aktentasche voller Biker-Informationen.
Mein Blick blieb an einem Stapel Fotokopien auf einem Eckschränkchen hängen. Ausgezeichnet. Das schob ich schon seit Monaten vor mir her. Ich beschloss, mich von dem augenblicklichen Kuddelmuddel aus Knochen, Bikern und mürrischen Detectives abzulenken, indem ich meine Datensammlung über alte Fälle auf den neuesten Stand brachte. Und das tat ich auch bis Feierabend.
Auf dem Nachhauseweg hielt ich bei dem Metro-Laden an der Papineau an und kaufte die Zutaten für Spaghetti alla Puttanesca. Ich war mir nicht sicher, ob Kit Anchovis mochte, und kaufte sie dann trotzdem. Ich würde es so machen wie immer, wenn ich Katy ein fremdes Gericht vorsetzte. Ich würde es ihm nicht sagen.
Das Problem erwies sich allerdings als ein rein theoretisches. Als ich in der Wohnung ankam, begrüßte mich niemand außer Birdie. Stiefel und Kleidungsstücke waren aufgeräumt, und auf dem Tisch im Esszimmer stand ein Blumenstrauß von der Größe von Rhode Island. Am Kühlschrank hing eine Nachricht.
Meinem Neffen tue es sehr, sehr Leid. Aber er habe Pläne gemacht, die nicht mehr zu ändern seien. Trauriges Gesicht. Dafür werde er den ganzen Sonntag mit mir verbringen. Smiley.
Ich knallte die Tüten auf die Küchenanrichte, stürmte in mein Schlafzimmer und zog meine Pumps aus.
Verdammt. Was für ein Leben war das denn? Wieder ein Freitag mit der Katze und der Glotze.
Vielleicht wollte ja Claudel mit mir zu Abend essen. Das wäre der Höhepunkt des Tages.
Ich zog meine Bürokleidung aus, warf sie auf den Stuhl und schlüpfte in Jeans und Sweatshirt.
Selber Schuld, Brennan. Du bist nicht gerade Miss Umgänglich.
Ich suchte auf dem Boden des Schranks nach meinen Topsiders, fand sie und brach mir beim Herausziehen einen Nagel ab.
Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich mich je so niedergeschlagen gefühlt hatte. Und so allein.
Der Gedanke kam ohne jede Vorwarnung.
Ruf Ryan an.
Nein.
Ich ging in die Küche und räumte die Lebensmittel weg, und dabei ging mir Ryans Gesicht nicht mehr aus dem Kopf.
Ruf an.
Das ist Vergangenheit.
Ich erinnerte mich an eine Stelle unter seinem linken Schlüsselbein, eine Kuhle, in die meine Wange perfekt passte. So eine sichere Stelle. So ruhig. So geschützt.
Ruf ihn an.
Das habe ich schon getan.
Rede mit ihm.
Ich will mir keine lahmen Ausreden anhören. Oder Lügen.
Vielleicht ist er unschuldig.
Jean Bertrand sagt, die Beweise seien überwältigend.
Meine Entschlossenheit zerbröselte bei den Dosentomaten, aber ich räumte die Tüten noch vollends aus, knüllte sie zusammen und stopfte sie unters Spülbecken und füllte Birdies Napf. Dann ging ich zum Telefon im Wohnzimmer.
Als ich das Lämpchen sah, machte mein Magen einen Minisalto.
Ich drückte den
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