Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
geschlagen?«
»Pfff. Nicht mein Ressort.«
»Warum ihn erst verprügeln und dann erschießen?«
»Eindeutig nicht mein Ressort.«
»Wenn er geschleift wurde, hätte das denn keine Spuren hinterlassen?«
»Vielleicht hat der Angreifer sie weggeputzt. Außerdem war überall so viel Blut, und so viele Leute waren am Tatort, dass der Boden keine verwertbaren Spuren hergab.«
»Und der Brand könnte sie verändert haben.«
»Zumindest auf dem Teppich. Wir gehen vielleicht noch mit Luminol drüber, aber das ändert nichts an dem, was die Spritzer mir sagen.«
Ich dachte eben darüber nach, als er fortfuhr.
»Und da ist noch etwas.«
»Noch etwas?«
Wieder flogen seine Finger über die Tasten. Wieder erschien ein Hochgeschwindigkeits-Spritzmuster auf dem Monitor. Aber ein Teil des Sprühnebels fehlte, und die Leerstelle sah aus wie mit einer Schablone herausgeschnitten.
»Das ist eine Aufnahme von der Wand hinter dem Kopf des Opfers.«
»Sieht aus wie mit einem Plätzchenstecher ausgestochen.«
»Das nennen wir ein Leermuster. So etwas entsteht, wenn irgendein Gegenstand das Blut abfängt und dann entfernt wird.«
»Was für ein Gegenstand?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wer hat ihn entfernt?«
»Das weiß ich nicht.«
Als ich in mein Büro eilte, hörte ich Dorseys Stimme wie einen Off-Kommentar zu Gilberts Bildern.
Das waren Amateure. Und derjenige, der Cherokee umgebracht hat, geht Ihnen durch die Lappen.
Ich griff zum Hörer und tippte eine Nummer ein. Eine Sekretärin sagte mir, dass Jacques Roy nach Val-d’Or geflogen und erst am Montag wieder anwesend sei. Ungeduldig fragte ich nach Claudel. Weder er noch sein Carcajou-Partner waren da. Ich dachte an die Piepser, musste aber dann wieder einmal einsehen, dass die Situation nicht so dringend war, und hinterließ nur Nachrichten.
Ich hatte eben wieder aufgelegt, als das Telefon klingelte.
»Sollte ich vielleicht den größten Früchtekorb der Welt schicken?«
»Hey, Harry.«
Wie immer klang meine Schwester so, als hätte sie eben etwas höchst Anstrengendes hinter sich.
»Warum bist du außer Atem?«
»Aikido.«
Ich fragte nicht nach.
»Treibt mein Kleiner dich wieder in den Trost des Alkohols?«
»Es geht ihm gut, Harry.«
»Bist du freitags immer so fröhlich?«
»Ich habe nur eben etwas Beunruhigendes gehört. Was ist denn los?«
»Ich nehme an, du weißt, dass Kit und Howard sich wieder in den Haaren hatten.«
»Ach so?« Ich hatte zwar so etwas vermutet, meinen Neffen aber nicht danach gefragt.
»Es ist mal wieder genauso wie damals mit dem Golfwagen.«
Ich erinnerte mich an die Episode. Als Kit fünfzehn war, stahl er aus dem Profi-Shop von Howards Country Club einen Wagen. Am nächsten Morgen wurde er halb versunken in einem Wasserhindernis am fünfzehnten Loch gefunden, mit einer halb vollen Flasche Tequila im Gepäckfach. Daddy drehte durch, und der Sohn büxte aus. Eine Woche später tauchte Kit in Charlotte auf. Am letzten Tag hatte er als Anhalter wenig Glück gehabt, und er schuldete einem Taxifahrer sechsundneunzig Dollar. Katy und Kit freundeten sich sofort an, und mein Neffe blieb den Sommer über.
»Worum ging’s denn bei dem Streit?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, aber es ging irgendwie um Angelausrüstungen. Führt er sich anständig auf?«
»Um ehrlich zu sein, ich sehe ihn kaum. Ich glaube, er hat hier Freunde gefunden.«
»Du kennst ja Kit. Aber es wäre sehr gut, wenn der kleine Cowboy noch eine Weile bei dir bleiben könnte. Ich glaube, er und sein Daddy brauchen ein bisschen Abstand und ein bisschen Zeit.«
»Lebt Howard denn nicht in der Nähe von Austin?«
»Ja.«
»Und Kit ist bei dir in Houston?«
Das schien mir genügend Entfernung zu sein.
»Weißt du, das ist ja das Problem. Ich habe diese Reise nach Mexiko schon lange geplant, und es soll morgen losgehen. Wenn ich jetzt storniere, verliere ich meine Anzahlung, und Antonio wäre sehr enttäuscht. Aber du brauchst nur einen Ton zu sagen, und ich mache es.«
»Hmh.«
Ich fragte mich, ob Antonio hinter dem Aikido steckte. Bei Harry bedeutete ein neuer Mann normalerweise auch ein neues Hobby.
»Ich möchte nur Kit nicht gern eine ganze Woche lang unbeaufsichtigt bei mir zu Hause lassen, und zu seinem Dad kann ich ihn im Augenblick nicht schicken. Und solange er sowieso bei dir ist und du sagst, dass er keine Schwierigkeiten macht –«
Sie beendet den Satz nicht.
»Du weißt, dass ich Kit sehr gerne bei mir habe.« Nur nicht unbedingt
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