Laura und das Labyrinth des Lichts
abstützen, um nicht hinzufallen. »Dann … dann sind wir verloren, Smeralda«, sagte sie matt. »Wenn die Krieger des Lichts nicht mehr von der großen Kraft schöpfen können, die das Labyrinth ihnen verleiht, sind wir dem Untergang geweiht.«
»Noch ist es nicht so weit«, widersprach die Prinzessin und schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre seidige Mähne flog. »Noch können wir Lukas aufhalten.«
»Aber wie soll das gehen?« Laura sah das Einhorn mit großen Augen an. »Lukas steht unter dem Bann des Dämons, das hast du selbst gesagt!«
»Wir müssen ihn nur davon befreien.« Smeralda schnaubte unsicher, als bereite der Gedanke ihr Unbehagen. »Wenn Beliaal stirbt, fällt sein Bann von Lukas ab. Deshalb müssen wir sein Herz suchen – und ich weiß auch wie!«
Smeralda behielt den Eingang im Auge, damit sie nicht von Beliaals finsteren Geschöpfen überrascht wurden. Laura schritt indes eilends die endlosen Reihen schwarzer Eier ab und hielt den Karfunkelstein, den Silvana ihr geschenkt hatte, auf deren Schale gerichtet.
Sie hatte damit gerechnet, dass sie nach dem Betreten des Schwarzen Schlosses durchsucht würde. Zwei Werwölfe hatten sie gründlich abgetastet und ihre Tasche durchwühlt. Außer einigen Königsfrüchten und Duftäpfeln war jedoch nichts darin gewesen, und deshalb hatten sie Laura unbeanstandet passieren lassen. Auf die Idee, dass die auf die Tasche gestickte Truhe ein Geheimnis enthielt, waren sie nicht gekommen – und so war der Karfunkelstein unentdeckt bis ins Herz der Finsternis gelangt. Er strahlte und funkelte, während er Laura bei der Suche nach Beliaals Herzen half.
Genau wie der Dämon, den es am Leben erhielt, scheute auch das Herz nichts mehr als die Kraft des reinen Lichts, hatte Smeralda erklärt. Deshalb würde es auch in Angst versetzt werden, sobald es diese Kraft verspürte. Daher bestrahlte Laura nun die Basiliskeneier mit dem Licht des magischen Steins und hoffte, das richtige möglichst schnell zu finden. Die Zeit drängte, denn bis zum Sonnenaufgang würde sich sowohl ihr eigenes als auch Smeraldas Schicksal entscheiden – so oder so.
Laura beschleunigte ihre Schritte, bis sie mit einem Mal ein fernes Geräusch hörte, leise und kaum wahrnehmbar:
Poch. Poch. Poch.
Hastig bewegte sie sich in die Richtung, aus der es kam – und schon wurde es lauter:
Poch! Poch! Poch!
Endlich hatte Laura das Ei gefunden. Als das Licht des Karfunkelsteins es erfasste, dröhnte es nicht nur laut vernehmlich durch die Höhle –
POCH!! POCH!! POCH!! –,
sondern das Ei hüpfte auch mit jedem Schlag ein Stück in die Höhe, als versuche es, die Flucht zu ergreifen, um sich seinem drohenden Schicksal zu entziehen. Dieser Versuch allerdings schlug fehl und endete in Lauras Tasche.
Lukas kam aus dem Staunen nicht heraus: So etwas hatte er noch nie in seinem Leben gesehen! Der kreisrunde Raum erstrahlte in überirdischer Helligkeit. In den Bodenfliesen war ein seltsames Muster eingelassen, ein Rad mit acht stilisierten Speichen. Über dem Zentrum erhob sich eine gleißende Lichtsäule, in der ein goldener Kelch schwebte. Die Rubine und Smaragde, mit denen er geschmückt war, glitzerten in allen Farben des Regenbogens.
Der Kelch der Erleuchtung, kein Zweifel!
Endlich!
Der Junge hatte den Kelch mit dem Wasser des Lebens gefunden, das seiner Schwester das Leben retten würde! Jetzt musste er es nur noch mit dem Elixier mischen, das Beliaal ihm mitgegeben hatte.
Aufgeregt griff Lukas in die Tasche und holte das zusammengeknüllte Leinentuch hervor. Seine Finger zitterten vor Ungeduld, als er das schützende Tuch entwirrte. Er konnte es gar nicht erwarten, die Phiole mit der magischen Flüssigkeit in der Hand zu halten, die der Dämon ihm anvertraut hatte. Als die Strahlen des Lichts darauf fielen, leuchtete sie grellrot auf und spiegelte sich wie blutige Ausrufezeichen in den Augen des Jungen.
Als Laura aus dem Spiegel stieg, zuckte sie entsetzt zurück: Der Mantikor, der das Portal des Thronsaals von innen bewachte, erwartete sie bereits mit gefletschten Zähnen. »Bleibt im Spiegel, Prinzessin!«, konnte sie Smeralda eben noch zurufen, da sprang das Ungeheuer auch schon wild fauchend auf sie zu.
Im letzten Augenblick zuckte Laura zurück, die Krallen der Bestie verfehlten ihren Hals nur um Millimeter. Der zweite Hieb riss sie beinahe von den Füßen. Als die Krallen Alariks Wams zerfetzten, blieb eine davon am Rad der Zeit hängen. Laura wurde ruckartig zur
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