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Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit

Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit

Titel: Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Thoma
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begrüßt, ganz anders wie sonst, wenn ich von meinem Fenster aus zusah. Sie wollten meiner Mutter zeigen, eine wie große Freude die Eltern gutgearteter Kinder genießen.
    Da saß nun dieses langbeinige, magere Frauenzimmer, das mit ihren sechzehn Jahren so wichtig und altklug die Nase in die Luft hielt, als hätte es nie mit einer Puppe gespielt.
    »Nun, bist du fertig geworden mit der Scheologie?« fragte Mama Vollbeck und sah mich herausfordernd an, ob ich es vielleicht wagte, in Gegenwart der Tochter den wissenschaftlichen Streit mit der Familie Vollbeck fortzusetzen.
    »Nein, ich habe heute abend noch einige Kapitel zu erledigen; die Materie ist sehr anregend,« antwortete Gretchen.
    Sie sagte das so gleichgültig, als wenn sie Professor darin wäre.
    »Noch einige Kapitel?« wiederholte Frau Rat, und ihr Mann erklärte mit einer von Hohn durchtränkten Stimme:
    »Es ist eben doch eine Wissenschaft, die scheinbar gelernt werden muß.«
    Gretchen nickte nur zustimmend, da sie zwei handgroße Butterbrote im Munde hatte, und es trat eine Pause ein, während welcher meine Mutter bald bewundernd auf das merkwürdige Mädchen und bald kummervoll auf mich blickte.
    Dies weckte in Frau Vollbeck die Erinnerung an den eigentlichen Zweck unseres Besuches.
    »Die gute Frau Thoma hat ihren Ludwig mitgebracht, Gretchen; sie meint, er könnte durch dich ein bißchen in den Wissenschaften vorwärtskommen.«
    »Fräulein Gretchen ist ja in der ganzen Stadt bekannt wegen ihres Eifers,« fiel meine Mutter ein. »Man hört so viel davon rühmen, und da dachte ich mir, ob das nicht vielleicht eine Aufmunterung für meinen Ludwig wäre. Er ist nämlich etwas zurück in seinen Leistungen.«
    »Ziemlich stark, sagen wir, ziemlich stark, liebe Frau Thoma,« sagte der Rat Vollbeck, indem er mich wieder durchbohrend anblickte.
    »Ja, leider etwas stark. Aber mit Hilfe von Fräulein Gretchen, und wenn er selbst seiner Mutter zuliebe sich anstrengt, wird es doch gehen. Er hat es mir fest versprochen, gelt, Ludwig?«
    Freilich hatte ich es versprochen, aber niemand hätte mich dazu gebracht, in dieser Gesellschaft meinen schönen Vorsatz zu wiederholen. Ich fühlte besser als meine herzensgute, arglose Mutter, daß sich diese Musterfamilie an meiner Verkommenheit erbaute. Inzwischen hatte die gelehrte Tochter ihre Butterbrote verschlungen und schien geneigt, ihre Meinung abzugeben.
    »In welcher Klasse bist du eigentlich?« fragte sie mich.
    »In der vierten.«
    »Da habt ihr den Cornelius Nepos: Das Leben berühmter Männer,« sagte sie, als hätte ich das erst von ihr erfahren müssen. »Du hast das natürlich alles gelesen, Gretchen?« fragte Frau Vollbeck.
    »Schon vor drei Jahren. Hie und da nehme ich ihn wieder zur Hand. Erst gestern las ich das Leben des Epaminondas.«
    »Ja, ja, dieser Epaminondas!« sagte der Rat und trommelte auf den Tisch. »Er muß ein sehr interessanter Mensch gewesen sein.«
    »Hast du ihn daheim?« fragte mich meine Mutter, »sprich doch ein bißchen mit Fräulein Gretchen darüber, damit sie sieht, wie weit du bist.«
    »Wir haben keinen Epaminondas nicht gelesen,« knurrte ich.
    »Dann hattet ihr den Alcibiades oder so etwas. Cornelius Nepos ist ja sehr leicht. Aber wenn du
wirklich
in die fünfte Klasse kommst, beginnen die Schwierigkeiten.«
    Ich beschloß, ihr dieses »wirklich« einzutränken, und leistete heimlich einen Eid, daß ich sie verhauen wollte, bei der ersten Gelegenheit.
    Vorläufig saß ich grimmig da und redete kein Wort. Es wäre auch nicht möglich gewesen, denn das Frauenzimmer war jetzt im Gang und mußte ablaufen wie eine Spieluhr.
    Sie bewarf meine Mutter mit lateinischen Namen und ließ die arme Frau nicht mehr zu Atem kommen; sie leerte sich ganz aus, und ich glaube, daß nichts mehr in ihr darin war, als sie endlich aufhörte.
    Papa und Mama Vollbeck versuchten, das Wundermädchen noch einmal aufzuziehen, aber es hatte keine Luft mehr und ging schnell weg, um die Scheologie weiter zu studieren.
    Wir blieben schweigend zurück. Die glücklichen Eltern betrachteten die Wirkung, welche das alles auf meine Mutter gemacht hatte, und fanden es recht und billig, daß sie vollkommen breitgequetscht war. –
    Sie nahm in gedrückter Stimmung Abschied von den Vollbeckschen und verließ mit mir den Garten.
    Erst als wir daheim waren, fand sie ihre Sprache wieder. Sie strich mir zärtlich über den Kopf und sagte: »Armer Junge, du wirst das nicht durchmachen können.«
    Ich wollte sie

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