Lautlos
es zeigt, dass Politiker auch nur Menschen sind. In Situationen, denen sie allzu oft nicht gewachsen sind, können auch sie nur tun, was ihnen persönlich – oder ihren Beratern – richtig erscheint. Gorbatschow, einer der mächtigsten Männer der Welt, stürzte am Ende über ein Trio, das sich zusammengefunden hatte wie die kleinen Strolche. Dass Politiker auch über straff organisierte Unterweltorganisationen stolpern können, verwundert da kaum.
Im Augenblick ist die russische Regierung unter Putin sehr daran interessiert, der Unterwanderung durch mafiose Strukturen entgegenzuwirken. Das wird nicht einfach sein. Denn das Problem sind nicht die klassischen Gangster, sondern die halblegalen Strukturen. Dort, wo sich ehrbare Politik und Unterwelt die Hand reichen, lauern die Gefahren, zeichnet sich der Weg in eine durch und durch kriminalisierte Welt ab. Wollte man fatalistisch sein, könnte man sagen: Wenn alle Lumpen sind, sind wir im Ganzen wieder ehrlich, also was soll's. Und genauso funktioniert die russische Mafia.
Aber sie muss nicht funktionieren. Was Europa braucht, ist ein länderübergreifender Austausch. Eine engere Zusammenarbeit des Westens mit Russland könnte sicherlich dazu beitragen, dass es nicht zur globalen Kriminalisierung von Politik und Wirtschaft kommt.
ÜBER AMERIKA
Silberman, der White-House-Korrespondent in diesem Buch, thematisiert den American way of life anhand der Medienkultur. Zwangsläufig kommt dabei auch ein gewisser präsidentialer Fehltritt zur Sprache. Mittlerweile kann zwar keiner mehr den Namen Lewinsky hören, aber die Republikaner werden nicht müde, immer wieder aufs Neue davon anzufangen, also sollte man sich nicht täuschen lassen. Sosehr die Affäre allen Beteiligten und Nichtbeteiligten zum Halse heraushängen mag, hat sie die Art und Weise, wie politische Auseinandersetzungen in Zukunft geführt werden, nachhaltig beeinflusst.
Wie es so weit kommen konnte, dass ein hochrangiger Politiker wegen eines Seitensprungs an den Pranger der Weltöffentlichkeit gestellt wurde, ist die eine Frage. Die andere stellt sich in direktem Zusammenhang: Was muss geschehen, damit Politik kein weiteres Mal derart unter die Gürtellinie geht? Und welche Gefahren birgt ein gesellschaftliches System, das einen politischen Totschlag wie diesen ermöglicht?
Natürlich maßt sich dieses Kapitel nicht an, ein Bild von Amerika zu entwerfen. Aber es vertieft einige Aspekte, die dem besseren Verständnis dienlich sind.
Grundsätzlich muss man die Unterschiede betrachten, die zwischen der europäischen und der amerikanischen Wertauffassung liegen. Das Europa von heute, speziell Mitteleuropa, ist trotz rechter und linker Auswüchse von ausgleichenden Kräften geprägt. Man neigt zur Verständigung. Alle großen Parteien fahren einen mehr oder weniger gemäßigten Kurs, selbst das Verhältnis zur Kirche stellt Versöhnlichkeit in den Vordergrund. Nach Jahrhunderten und Jahrtausenden, die geprägt waren vom Erbe alter und dem Erwachen neuer Kulturen, von ständigen Grenzverschiebungen, von der Durchmischung unterschiedlichster Volksstämme, von Kreuzzügen, Revolutionen und Weltkriegen, von Primitivität und Brutalität einerseits und enormen geistigen und ethischen Errungenschaften andererseits, sind wir (vorläufig) auf einem Stand der allgemeinen Harmonisierung angelangt. Nicht, weil wir so tolerant sind, sondern weil wir erkennen, dass Toleranz und Koexistenz Sachzwänge sind.
Demgegenüber blicken die USA auf eine wesentlich jüngere Geschichte zurück. Die Weltkriege haben hier nicht stattgefunden, eine abgeklärte Rückschau auf die eigene Geschichte ebenso wenig. Die hausgemachten Probleme der Gründerzeit dauern an. Die Rassenproblematik, die unrühmliche Geschichte der Indianerkriege, die Religionsfrage, all das. In Europa haben die kulturellen Entwicklungen gemächlich stattgefunden, in den Staaten sind die Menschen aus einer Zeit archaischer Moralvorstellungen und erzreligiöser Auffassungen, provinziellen Wildwestdenkens und gesellschaftlicher Primitivität in ein High-Tech-Universum katapultiert worden – und das innerhalb kürzester Zeit, in nur zwei Jahrhunderten.
Amerika hat seine Entwicklung zwar vollzogen, aber längst nicht verarbeitet. Es brodelt, als habe die Besiedelung gerade erst stattgefunden. Und es brodelt umso mehr, als die Amerikaner mit aller Macht versuchen, es anders darzustellen, weil sie so gern auf eine lange Geschichte zurückblicken würden, die sie nicht
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