0939 - Wenn der Satan tötet...
Cecile hatte es einfach beichten müssen. Das schlechte Gewissen hatte sie in den Beichtstuhl von Pater Carlos getrieben, von dem sie wußte, daß er streng war, sehr streng. Er stammte nicht aus ihrem Land, er kam aus Spanien, wo die Sitten noch strenger waren. Aber jetzt sagte er nichts. Er ließ sie in dieser verdammten Luft schmoren. Nicht mal seine Atemzüge vernahm sie.
»Du hast es getan?« fragte er plötzlich.
Erlösung für Cecile. Sie konnte und durfte sprechen. Endlich. Zuvor stieß sie den angehaltenen Atem gegen die Scheibe, hinter der sie das Gesicht des Beichtvaters nur sehr schwach sah. »Ja, ich habe es getan, Pater. Ich habe es wirklich getan…«
Er schwieg. Cecile wartete. Nach einigen Sekunden traute sie sich, ihre Hand zu heben und den Schweiß von ihrem Gesicht zu wischen. Zumindest von, der Stirn.
»Warum hast du es getan?«
Sie schluckte und lief rot an, was in der Dunkelheit nicht zu sehen war. »Es - ich weiß es auch nicht genau.« Jetzt fing sie an zu stottern und rang nach Worten. »Es ist einfach über mich gekommen, Pater. Verstehen Sie?«
»Ja, das verstehe ich, aber ich kann es nicht begreifen, nein, ich kann es nicht begreifen.« Seine Stimme hatte einen grollenden Ton bekommen. »Hast du denn alles vergessen?«
»Wie, wie meinen Sie das?«
»Was man dir beibrachte. Alles, was man dich lehrte. Hast du das vergessen?«
»Ich habe nicht mehr daran gedacht, Pater. Ich habe wirklich nicht mehr daran gedacht.«
Sie hörte ihn atmen. Er bewegte sich auch. Sein Körper schien sich aufzuplustern, so groß kam er ihr vor. Sie glaubte, ihn nicken zu sehen und traute sich, ihm eine Frage zu stellen. »Was soll ich denn tun, damit diese Schande wieder von mir genommen wird? Sagen Sie es mir, Pater! Bitte! Was kann ich tun?«
»Es wird schwer sein…« Er ließ seine Worte ausklingen, ohne einen Vorschlag zu machen.
»Ja, Pater, ich weiß. Ich weiß sehr genau, daß es nicht einfach sein wird. Aber…«
»Nichts«, sagte der Pater. »Nichts…«
Cecile erstarrte wieder. Selbst den harten Druck der Holzbank an ihren Knien spürte sie nicht.
»Nichts haben Sie gesagt, Pater?«
»So ist es.«
»Aber, das ist unmöglich. Sie haben selbst immer gesagt, daß man bei schweren Sünden Reue zeigen muß.«
»Das stimmt auch…«
Wieder ließ er den Satz unvollendet und die Beichtende damit mit ihren Problemen und seelischen Nöten allein. Es lief alles anders, als sie es sich gedacht hatte. Sie wußte nicht mal, ob es schlimm oder harmlos gewesen war. Und wieder kam ihr die Luft so schlecht vor. Sie war zum Schneiden dick. Selbst aus der kühleren Kirche drang kein Windhauch gegen sie.
Jetzt kehrten auch wieder die Schmerzen zurück. Das lange Knien auf hartem Holz war sie nicht gewohnt. Es war eng wie in einem Wandschrank in diesem Beichtstuhl. Wer ihn betrat, kam sich wirklich wie der schlimmste Sünder vor. Ob der Pater auf der anderen Seite mehr Platz hatte?
Sie ärgerte sich über ihre merkwürdigen Gedanken.
Wieder hörte sie die flüsternde Stimme des Paters, aber sie kam ihr verändert vor, denn jetzt klang sie lauernder. »Soll ich dich fragen, was du bereit bist zu tun?«
»Ich mache alles.«
Der Pater lachte. Es klang hämisch, wie sie glaubte, aber sie überhörte es. »Du brauchst gar nicht alles zu tun, Cecile. Das ist nicht nötig.«
»Aber bitte. Sie haben doch selbst gesagt…« Cecile wußte nicht mehr weiter. »Ich meine, Sie sind…«
»Ich bin nicht. ER ist alles.«
Cecile nickte. Sie glaubte daran, daß der Pater mit ER den Herrgott gemeint hatte, deshalb war sie als gläubige Christin auch so ergeben, und sie senkte den Kopf. Sehr bald hob sie ihn wieder an, als sie ein schleifendes Geräusch hörte.
Sie schaute hin und sah, wie sich die Trennscheibe zur Seite des Paters hin öffnete. Nicht ganz, nur zur Hälfte. Seine Stimme hörte sie jetzt deutlicher.
»Du brauchst nur eines zu tun, Cecile. Du brauchst mir nur die Hand zu geben, das ist alles.«
»Die Hand?«
»Ja.«
Cecile wußte nicht, was sie davon halten sollte. Aber wenn der Pater es vorschlug, dann war es schon richtig. Als Sühne konnte sie das durchaus akzeptieren. Sie hatte mit schweren Sünden keine Erfahrungen, und wahrscheinlich mußte die Reue eben so aussehen. Deshalb zögerte sie auch nicht, wischte die Handfläche zuvor an ihrem Rock ab und hob den Arm an, bevor sie ihn ausstreckte, wobei die Hand mit den zusammengelegten Fingern auf den Spalt wies, durch den sie greifen
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