Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
Vom Netzwerk:
gesehen. Abgesehen davon war es schäbig, vom Aussehen eines Menschen darauf zu schließen, dass er nicht hierher gehörte. Manchmal mochte Sascha sich selbst nicht leiden.
    Keine zwei Minuten vergingen, bis die Tür wieder geöffnet wurde. Wortlos hielt ihm der Nachbar den verlorenen Baseball entgegen. Sascha nahm ihn und dachte bei sich, dass es Fabian sicher freuen würde, ihn zurückzubekommen. Aber das Problem war damit nicht gelöst.
    „Danke. Und?“ Es war eigenartig, alleine eine Unterhaltung zu führen. „Was hat so geklirrt? Meine Tante ... Du kennst sie sicher, Tanja Holmes ... Sie ersetzt den Schaden natürlich.“         
    „Nicht nötig“, schüttelte Saschas Gegenüber abwehrend den Kopf. „War nur eine komische, auf alt getrimmte Vase.“
    „Aber sie hat doch bestimmt etwas gekostet. Ich glaube nicht, dass Tanja damit einverstanden wäre, euch etwas schuldig zu bleiben.“
    „Nicht mir. Wenn dann meinen Eltern. Und wenn du glaubst, dass sie merken, dass bei uns im Garten eine Vase fehlt, dann hast du dich geschnitten. Ivana macht die Scherben weg und gut. Ist nicht der Rede wert.“
    Oh, du kannst also doch sprechen. Und sogar in ganzen Sätzen, wollte Sascha sagen, verkniff es sich aber. Er kannte es nicht richtig greifen, aber irgendetwas an seinem Gegenüber war merkwürdig. Er strahlte große Anspannung aus, sogar Nervosität. Fragte sich nur, warum? Doch war das nicht egal?
    Es war nett, dass er den Ball geholt hatte und kein Aufheben um den Schaden machte. So wie es aussah, wollte er den Zwischenfall sogar vor seinen Eltern verheimlichen und Tanja die Standpauke ersparen. Ein freundlicher Zug an einem Menschen mit sehr unfreundlichem Auftreten.
    „Ist sonst noch etwas?“, fragte der Spross der von Winterfelds barsch. Die Finger seiner rechten Hand lagen auf dem Türblatt, als könne er es nicht erwarten, Sascha loszuwerden. Im Grunde war sein ganzes Verhalten abschreckend und schlicht blöd. Wer brauchte solche Nachbarn? Niemand.
    Aber es gab viele Teenager, die nach außen hin erst einmal den gelassenen Bastard heraushängen ließen – Sascha konnte das selbst gut, wenn er ehrlich war – und hinterher doch nett waren.
    Und weil er niemanden hier kannte, er jedem eine zweite Chance einräumte und Winterfeld Junior im richtigen Alter war, hörte er sich fragen: „Ja. Ich bin wie gesagt Sascha.“ Er ließ eine kurze Pause, um dem anderen die Möglichkeit zu geben, sich seinerseits vorzustellen, was er nicht tat. „Ich bin neu in Hamburg. Gerade zugezogen. Krach mit den Eltern. Du kennst das sicher. Hmm... ja, und bis zum Schulanfang sind noch vier Wochen und ich kenne keine Menschenseele. Versauern will ich bis dahin auch nicht. Du hast nicht zufällig Lust, mir die Stadt zu zeigen? Also nicht den Fischmarkt und den ganzen Touristenkram, sondern die richtigen Sachen?“
    Es war eine lange Rede; besonders, wenn der andere Gesprächsteilnehmer keine Reaktion zeigte; nicht einmal nickte oder verständnisvoll schaute. Das letzte Wort war kaum über Saschas Lippen, als er wusste, dass seine Mühe vergebens war. Die Vogelscheuche starrte ihn an, als wäre er nicht bei klarem Verstand.
    „Äh ... nein?“ Die Absage klang wie eine Ohrfeige.
    Kein Lieber nicht , kein diplomatisches Ich habe nicht viel Zeit, kein meine Religion verbietet es mir, mich mit Ungläubigen abzugeben . Schlicht nein und zwar in einem Tonfall, als hätte er darum gebeten, ihm den Mond vom Himmel zu holen oder ein viktorianisches Abendkleid anzuziehen.
    Irritiert legte Sascha die Stirn in Falten, bevor er schleppend antwortete: „Okay. Ich gehe dann mal besser. Danke für den Ball.“ Wieder keine Reaktion. „Ciao.“
    Genervt wandte er sich ab. Es wunderte ihn nicht, dass die Tür ohne Abschiedswort hinter ihm ins Schloss fiel. So ein saublöder Hund. Wenn seine Eltern ebenso bescheuert waren, war es kein Wunder, dass Tanja nicht gerne mit ihnen sprach oder Fehler einräumte. Was bildeten sie sich ein? Waren sie etwas Besonderes? Wohlhabend? Aus guter Familie? Zu erhaben für Normalsterbliche? Wenn ja, waren sie anscheinend auch zu erhaben für profane Dinge wie Sonnenlicht.
    „Solltest vielleicht mal ab und zu rausgehen“, knurrte Sascha unterdrückt. „Dann sähest du auch nicht so ausgekotzt aus.“ Vornehme Blässe wahrscheinlich.
    Am Rande zum Grundstück seiner Tante blieb er stehen und schlug mit der Faust auf den maroden Holzbriefkasten. Er hasste es, wenn Leute glaubten, sie wären etwas

Weitere Kostenlose Bücher