Leben im Käfig (German Edition)
Garten eher für die Kinder geschaffen war als für den Schöngeist der Eltern.
Mit hängender Zunge kam Fabian angerannt und drückte Sascha ohne Umschweife den Fanghandschuh und den harten Ball in die Hand: „Ich schlage zuerst. Daddy hat früher in der Mannschaft in seiner Schule gespielt und mir alle Tricks gezeigt.“
„Dann legen wir mal los.“ Sascha drehte sich auf dem Absatz um und trabte ein Stück in Richtung Buchsbaumhecke. Rasch suchte er sich einen Platz und warf den Ball locker zur Fabian. Der Junge schlug danach, traf aber nicht richtig. Sofort beschwerte er sich: „Das war zu leicht. Wenn du so lasch wirfst, geht das nicht.“
Sascha war nicht sicher, ob es eine gute Idee war, hart zu werfen, aber nachdem ein paar Bälle sang- und klanglos zu Boden gingen, tat er Fabian den Gefallen und machte Ernst. Er fixierte den Jungen für einen Moment, zielte und schleuderte ihm den Ball entgegen. Dieses Mal traf Fabian richtig. Leider ein wenig zu gut. Der weiße Ball schoss hoch über Saschas Kopf hinaus, flog in schnurgerader Linie über den Buchsbaum und ward nicht mehr gesehen. Erst das Klirren und Scheppern auf der anderen Seite der Hecke verriet, dass der Ball ein Ziel gefunden hatte.
Dreißig Sekunden später stürzte Tanja in den Garten: „Was war das?“ Mit dem untrüglichen Gespür einer Mutter für das schlechte Gewissen ihrer Kinder erfasste sie die Lage und funkelte ihren Sohn wütend an: „Fabian, du weißt genau, dass du nur auf dem Sportplatz Baseball spielen darfst.“
„Aber ich wollte Sascha zeigen ... und er ist ja schon erwachsen ...“, versuchte der Junge sich aus der Affäre ziehen.
„Oh nein, Freundchen, versuch nicht, Sascha hineinzuziehen. Ich kenne dich Kröte doch. Du hast ihm mit Sicherheit nicht gesagt, dass Baseball hier tabu ist.“ Mit ausgestrecktem Zeigefinger deutete sie auf das Haus: „Abmarsch. Der Spaß ist vorbei. Oder halt, wo ist der Ball eigentlich dieses Mal gelandet?“ Dem betretenen Blick der beiden Jungen folgend murmelte sie schicksalsergeben: „Nein, Fabian. Sag mir bitte nicht, dass du schon wieder die Winterfeld-Villa abgeschossen hast.“
Kapitel 3
„Mama!“ Sinas Stimme nahm den Unterton drohenden Sirenengeheuls an, als sie mit in die Hüften gestemmten Händen auf der Terrasse auftauchte. „Wenn Fabian noch spielen darf, will ich auch!“ Mit nackten Füßen und entschlossen erhobenem Kinn steuerte sie auf den Rasen zu; eine kleine Diva.
Tanjas Blick bekam etwas Hektisches, während sie zwischen ihrer frisch gebadeten Tochter und ihrem kleinlaut zu Boden blickenden Sohn hin- und hersah. Sie unterdrückte einen Fluch: „Genau das sind die Momente, in denen ich es hasse, dass Aiden nicht da ist. Sina, geh wieder hinein, ich lese dir gleich noch etwas vor ... und Fabian ... du auch. Streitet nicht! Und ich ... ja, ich gehe nach drüben und entschuldige mich. Hoffentlich ist sie daheim und nicht er.“
Neben seinem schlechten Gewissen war Sascha vor allen Dingen überrascht. Er kannte seine Tante als einen ausgeglichenen, verständnisvollen Menschen, der milde über den Kleingeist seiner eigenen Eltern lächelte.
Wenn Tanja früher zu Besuch kam, hatte er stets das Gefühl gehabt, sie stünde etwas über den Dingen. Dass sie aufgrund eines fehlgeleiteten Baseballs und einer bettfertigen Tochter auf dem Weg aufs Gras gleich zum aufgescheuchten Huhn mutierte, hatte er nicht erwartet. Zumal Fabian und er keinen Weltkrieg angezettelt hatten und man Sinas Füße sicher noch einmal waschen konnte.
„Ich gehe nach drüben“, bot er an. War ja klar, dass an seinem ersten Abend in Hamburg gleich etwas schief ging. „Ich war dabei, mich kennen sie nicht. Also bin ich auch kein Wiederholungstäter. Außerdem habe ich Erfahrung darin, mich entschuldigen zu müssen.“ Vielsagend zog er einen Mundwinkel nach oben, während er sich heimlich fragte, ob Tanja über seine früheren Eskapaden informiert war. Auf dem Dorf gab es nicht viel Abwechslung. Seine Freunde und er hatten nicht viel ausgelassen. Seine Freunde ... Egal.
„Würdest du das tun? Was immer kaputt gegangen ist, bezahle ich. Kein Thema. Aber ich wäre wirklich froh, wenn ich mich heute nicht für meine furchtbaren Kinder rechtfertigen müsste.“
„Was?“ Es passte nicht zu Tanja, ihren Nachwuchs als furchtbar zu bezeichnen.
„Ach, lange Geschichte. Die von Winterfelds ziehen Kinder vor, die keinen Piep von sich geben und am besten die ganze Zeit nur
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