Leben mit Hochsensibilitaet
als äußerste Notwendigkeit war, um mich nicht ganz zu verlieren. Jetzt verstehe ich es im Licht meiner Hochsensibilität. Ich bin so oft über meine Grenzen gegangen. So häufig wurde ich meinen eigenen Empfindungenentfremdet, dass es eine immense Aufgabe war, mich selbst wieder ins Gleichgewicht zu bringen.“
„In meinem Leben ist ein Wirbelsturm losgebrochen – wohl sanft und liebenswürdig, doch trotzdem mächtig – der mein bisheriges Leben völlig über den Haufen wirft. Und zwar ausnahmslos zum Guten. Aus einer stets vorherrschenden Unsicherheit, Unruhe und dem ständig kritischen Blick auf mich selbst hat sich meine Lebenshaltung um 180 Grad geändert. Meine Angst vor Kritik an meiner zu sanften, zu gefühlsbetonten, zu verträumten Art hat einer neuen Selbstbetrachtung Platz gemacht. Es fühlt sich zwar alles noch etwas unsicher an, etwa wie: ‚Träume ich oder bin ich schon wach?‘ Doch tief in meinem Inneren fühle ich meine Basis, nämlich das sichere Wissen: Ja, das passt zu mir, so bin ich.“
Wiedererkennen und Einsicht. Die Zusammenhänge werden sichtbar und Veränderung wird angestoßen. Das ist der Anfang eines neuen Selbstbilds und einer neuen Wertschätzung der eigenen Person. Derartige Erfahrungen machen vielleicht auch Sie beim Lesen dieses Buchs. Vielleicht verspüren auch Sie Gefühle des Zu-Hause-Ankommens, des Wiedererkennens und der Selbstakzeptanz. Unter Umständen denken Sie dann zum ersten Mal: „Ich dachte immer, ich sei anders – und nun scheinen viele Menschen so zu sein wie ich!“ Während der Recherchen für dieses Buch war ich immer wieder gerührt von Menschen, die aufrichtig froh reagierten. Durch diese Gefühle habe ich mich leiten lassen. Darum habe ich nie an der Notwendigkeit gezweifelt, das Thema Hochsensibilität vielen bekannt zu machen, und ich bin dankbar, dieses Buch geschrieben zu haben.
1.1 Kennzeichen der Hochsensibilität
Was ist Hochsensibilität eigentlich genau? Bei dieser Frage kommt man nicht um das Werk von Dr. phil. Elaine N. Aron herum. Sie prägte den Begriff Hochsensibilität und machte ihn bekannt; sie machte Hochsensibilität zum Thema ihres Lebenswerks. Auf ihrengrundlegenden Untersuchungen bauen sowohl meine als auch viele andere Arbeiten auf. Nach Arons Erkenntnissen tritt das Phänomen der Hochsensibilität bei 15 bis 20 Prozent der Menschen auf, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Durch Untersuchungen mit Säuglingen, Kindern und Erwachsenen und durch Gespräche mit Menschen, die sich selbst als überdurchschnittlich empfindlich beschrieben, sammelte sie umfassend Informationen. Weiter sichtete sie die bereits vorhandene psychologische Literatur zu diesem Bereich. Schließlich entwickelte sie – aus der Verbindung ihrer wissenschaftlichen Perspektive mit der Jung’schen Analytischen Psychologie – ein Rahmenmodell, in dem Hochsensibilität sehr genau definiert werden kann. In den folgenden Kapiteln werden wir einzelne Aspekte dieses Modells der Reihe nach kennenlernen.
Hochsensibilität beginnt bei den meisten Menschen mit dem Gefühl, anders als andere zu sein – ohne dieses Gefühl konkreter benennen zu können. Doch auch wenn sie zumeist nur schwer Genaues über diese Empfindung sagen können: Es ist eine Erfahrung, ein Gewahrsein, das ihnen reichlich ‚quer sitzen’ kann und das oft (nicht immer) zu Schwierigkeiten und Problemen führt. So sehr, dass manche sich manchmal verzweifelt fragen: Bin ich vielleicht verrückt?
Doch Sensibilität hat wenig mit Verrücktheit zu tun. Sensibilität ist eine Eigenschaft des Nervensystems, der Informationsverarbeitung im Körper und im Gehirn: Irgendwo im Verarbeitungsprozess, zwischen dem Eintreffen eines Sinnesreizes und seiner Verarbeitung im Gehirn, läuft es bei hochsensiblen Personen anders als bei den meisten Menschen. Die Informationsverarbeitung eines Hochsensiblen arbeitet auf die eine oder andere Art ausführlicher und genauer als beim Durchschnittsmenschen. Hochsensible haben nicht etwa bessere Sinnesorgane, sondern sie verarbeiten Sinneseindrücke komplexer. Aron gibt den Vergleich mit einer Sortiermaschine: „Eine hochsensible Person sortiert Eindrücke in zehn Kategorien, während jemand anderes nur zwei oder drei Varianten wahrnimmt.“ 1 Hochsensibilität ist wahrscheinlich erblich; man wird also vermutlich damit geboren.
Hochsensible Menschen nehmen viele subtile Nuancen wahr, die andere übersehen. Worüber andere nicht weiter nachdenken, oder was andere
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