Leben mit Hochsensibilitaet
vor allem Wert auf das legen, was damit zusammen hängt: akzeptiert zu werden, wie sie im Wesen sind. Das Erkennen der eigenen Hochsensibilität ist für viele, die es mir beschrieben, eine Form von Nach-Hause-Kommen. Zum ersten Mal spüren sie ein – nie zuvor gekanntes – Gefühl von Sinnhaftigkeit und Bedeutung. Lose Puzzleteile finden nun einen sinnvollen Zusammenhang; darin kann eine elementare Daseinsberechtigung liegen. Viele hochsensible Menschen haben sich lange danach gesehnt. Sie erleben dieses Nach-Hause-Kommen wie eine Katharsis.
Zum Nach-Hause-Kommen gehört auch das Gefühl des Zusammenströmens – mit jenem großen Strom, der das Leben selbst ist. Dazu gehört, sich nicht mehr als das Hindernis zu erleben, das sich selbst und anderen im Wege steht, sondern fortan die kostbare, ja nahezu heilige Kontinuität seiner selbst und der Welt zu erfahren – mit seiner Eigenart Anschluss an das größere Ganze finden. Die eigene Erfahrung wird wertvoll. Man kann beginnen, an jenem Haus zu bauen, welches man sein Zuhause nennen wird. Für viele ist die Erkenntnis der eigenen Hochsensibilität ein Ausgangspunkt für Heilung, für das Heilen alter Brüche, das Beheben jener Schäden, die man sich selbst durch Unkenntnis und Unverstand zufügte.
Das Werk der Pionierin Elaine Aron wird von vielen wertgeschätzt. Ich denke, hochsensible Menschen in aller Welt sind ihr zutiefst dankbar für das, was sie in Gang brachte, für die Erkenntnisse, die sie sammelte, und die Untersuchungen, die sie durchführte, und dass sie dies bereitwillig mit dem Rest der Welt teilte. Ich schulde ihr Dank, denn ich baue auf ihren Einsichten auf.
Im Unterschied zu Elaine Aron betone ich in meinem Buch indes die eigene
Körpererfahrung
, und zwar aus taoistischer und zen-buddhistischer Sicht. Darin wurde ich geschult. Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie heilend es ist, über den Körper zu emotionaler und geistiger Gesundheit zu gelangen. Erdung, Gleichgewicht und Ruhe sind dabei Schlüsselworte. Durch Erdung und das Finden von Gleichgewicht und Ruhe lernte ich einen
Seinszustand
kennen, der meine Hochsensibilität kanalisierte und zur Gabe machte. Ich lernte, dass in der Einheit von Körper, Geist und Seele das Potential zur Gesundheit liegt.
Im Rahmen meiner Tätigkeit als Masseurin und Shiatsu-Therapeutin fiel mir auf, dass viele Menschen, auch Hochsensible, verhältnismäßig unbewusst und unwissend mit ihrem Körper umgehen. Die Probleme, die sich ihnen stellen – wie beispielsweise Wohlstandskrankheiten – entstehen durch das Unvermögen, den Signalen des Körpers zu lauschen, kombiniert mit der Weigerung, Verantwortung zu übernehmen. Ich staune darüber immer wieder: Die meisten Menschen betrachten ihren Körper wie einen Gebrauchsgegenstand, wie einen Wagen, der schlicht zu funktionieren hat. Wenn der Körper nicht mehr funktioniert, wird er einem Arzt ausgeliefert, der an ihm herumschneiden und herumdoktern darf, in der Hoffnung, der Motor möge bald wieder laufen… Die meisten Menschen gehen distanziert, unachtsam und geringschätzig mit ihrem Körper um.
Hochsensible Menschen wissen zwar häufig, dass eine andere Haltung besser wäre – doch sie beherrschen diese ungenügend, da sie ihnen nicht beigebracht wurde. Hochsensible sind vielfach sehr gut im Erspüren dessen, was andere benötigen; doch gleichzeitig tendieren sie dazu, ihre eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen. Das ist ein typisches Problem: Bei vielen Hochsensiblen fand ich eine schlechte Verbindung zum eigenen Körper und zur Erde, zusammen mit einem ungenügenden Gefühl für Abgrenzung.
Das Wissen um Gesundheit und Glück, um Ausgeglichenheit und das Einfach-Da-Sein kann man nicht lernen, sondern muss manzutiefst erfahren. Ich hatte in meinem Leben das Glück, eine Lehrmeisterin zu treffen, Joyce Vlaarkamp, die mit ihrer ganzen Existenz Zen ausstrahlte. Sie lehrte vor allem durch ihr lebendes Beispiel, dass das Wissen um das Wohlbefinden nicht durch unser Denken zustande kommt, sondern durch Erfahrung. Um ein Beispiel zu geben: Bei der Shiatsu-Ausbildung sind die Meridiane die Basis der technischen Kenntnisse; das ist unumgänglicher Lernstoff. In vielen Ausbildungskursen, die ich in den Niederlanden und der Schweiz besuchte, lernten die Teilnehmer von der ersten Stunde an eifrig den Verlauf dieser Bahnen auswendig. Meine Ausbilderin hingegen ging anders vor. Sie präsentierte den Verlauf der Meridiane nicht als theoretischen Lehrstoff,
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