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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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An einem sonnigen Morgen im Spätsommer – genau am 3. September um acht Uhr zweiundvierzig – ereignete sich in Paris, an der Ecke der Avenue George V. und der Champs Elysées, ein Verkehrsunfall. Kein Polizeibericht erwähnte ihn später, es erschien kein Flic, um den Vorfall aufzunehmen und ein Protokoll anzufertigen, ja selbst die Passanten blickten nur mit einem Auge hin und gingen weiter – so wenig wichtig war dieser kleine Unfall.
    Ein Radfahrer stieß mit einem Mädchen zusammen, das gerade die Straße überquerte. Es gab keine Toten, nicht einmal Verletzte, nur das alte, klapprige Fahrrad brach auseinander, und drei unbemalte Leinwandrahmen, eine Palette und ein Kasten mit Ölfarben und Pinseln schlitterten über den Asphalt. Ein nachfolgendes Auto stoppte, fuhr einen Bogen um die Trümmer und bog dann in die Champs Elysées ein. Der Fahrer grinste, winkte dem Radfahrer zu, warf einen Blick auf das Mädchen, schnalzte mit der Zunge, sagte vor sich hin: »O lala!« und fädelte sich in den Pariser Morgenverkehr ein, eine Kunst, die höchste Konzentration verlangt.
    Pierre de Sangries war sofort aufgesprungen, als er nach dem Zusammenstoß plötzlich auf der Straße lag, gab den Trümmern des Fahrrades, seinen Leinwänden, der zusammenklappbaren Staffelei und was sonst noch herumlag, einige Tritte, beförderte alles an den Straßenrand und wandte sich dann dem Mädchen zu, das auf dem Asphalt saß und sich das Knie rieb. Doch bevor er helfen konnte, sprang das Mädchen auf und hinkte, kaum merkbar, auf den Bürgersteig.
    »Sie Trottel!« sagte es dabei. »Sind Sie blind?«
    »Vielleicht.« Pierre de Sangries strich seine dünne Leinenjacke gerade und betrachtete wehmütig die Überbleibsel seines Rades. »Wenn ich die Reden der Kunsthändler höre, die meine Bilder betrachten, verstärkt sich immer mehr der Eindruck, daß ich wirklich blind bin. Haben Sie sich verletzt, Mademoiselle?«
    »Sie sehen – nein.«
    »Sie hinken.«
    »Es ist schon vorbei –«
    Sie wandte sich schroff ab und wollte weiterlaufen, aber Pierre hielt sie am Ärmel ihres Kleides fest. Ein schönes Kleid, dachte er. Rot-weiß-blau gestreift … die französischen Farben. Eine Patriotin im Unterbewußtsein.
    »Sehen Sie sich Fifi an …«, sagte er dabei.
    »Lassen Sie mich los!«
    Ihr Kopf flog herum, ihre Augen schleuderten einen Blick auf ihn, der ihn traf wie eine Speerspitze. Tiefblaue Augen in einem ovalen Gesicht. Ein Rahmen aus blonden gelockten Haaren, in der vom Morgendunst gebrochenen Sonne schimmernd wie Metallfäden.
    »Ich bin ein armer Mensch –«, sagte Pierre und ließ ihren Ärmel los. Sie zerrte an seinem Griff, und das fiel den Passanten mehr auf als der Zusammenprall. Wenn ein Mädchen sich gegen einen Mann wehrt, wird selbst der älteste Pariser zum beschützenden Kavalier. Pierre begann verzeihend zu grinsen, blinzelte einigen kritisch hinblickenden Männern zu und hob die Schultern. Die Mädchen, Messieurs … jeder Mann sollte einen Pflichtunterricht als Dompteur durchmachen.
    »Fifi war mein einziges, noch funktionierendes Kapital. Es hatte zwei Räder, einen Rahmen, eine Lenkstange und einen Sattel. Was ist von ihm geblieben?«
    Das Mädchen antwortete nicht. Es streifte ihn nur mit einem Blick, der alle Schärfe verloren hatte, ein Blick, der das ganze Gesicht verwandelte und ihm etwas Fernes, Entrücktes, Geistesabwesendes verlieh, dann wandte sich das Mädchen ab, ganz langsam, als stünde es auf einer Drehscheibe, und ging davon. Zuerst steifbeinig wie eine maschinelle Puppe, dann schneller … Nach ungefähr zehn Schritten begann es zu laufen und tauchte in dem Strom der Fußgänger unter.
    »Mademoiselle!« rief Pierre und lief ihr nach. »He! Bleiben Sie stehen! Sie haben Fifi zertrümmert … das ist eine Tasse Kaffee wert –«
    Aber sie war schneller als er, hatte schon zuviel Vorsprung, und er sah nur noch ein paar Streifen ihres vaterländischen Kleides im Gewühl der Passanten und einige Männer, die ihn böse anstarrten und offensichtlich bereit waren, ihm den Weg zu versperren. Da blieb er stehen, hob bedauernd die Arme und trottete zurück zur Ecke der Avenue George V. Jetzt war auch ein Polizist da, betrachtete das auseinandergefallene Rad und die Leinwandrahmen und trommelte mit den Fingern gegen sein Koppel. Er hatte beide Daumen hinter den Lederriemen geschoben und sah so aus, als habe ihm der Frühstückstoast nicht besonders geschmeckt.
    »Ist das Ihres, Monsieur?« fragte er. Er

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