Lebens-Mittel
letztendlich gegenseitig verstärken.
Meine Empfehlungen unterscheiden sich ein bisschen von den Ernährungsrichtlinien, die Sie wahrscheinlich gewohnt sind. Zum Beispiel mache ich keine einengenden Vorschriften. Ich sage Ihnen nicht, was Sie zu Abend essen sollen. Nein, meine Anregungen sind eher so etwas wie Bausteine, mit deren Hilfe Sie Ihre Ernährungsentscheidungen überdenken können. Weil es nicht nur eine Antwort auf die Frage gibt, was wir essen sollen, ergeben sich aus diesen Richtlinien so viele unterschiedliche Menüs, wie es Leute gibt, die sie anwenden.
Ich kleide meine Faustregeln auch nicht ins Vokabular der Ernährungswissenschaft. Nicht weil diese uns nichts Wichtiges zu sagen hätte – das hat sie durchaus, zumindest wenn sie die Fallstricke des Reduktionismus und eines übersteigerten Selbstbewusstseins vermeidet -, sondern weil ich glaube, dass wir von der Geschichte, der Kultur und der Tradition mindestens genauso viel über das Essen lernen können. Wir sind gewohnt zu denken, in allen Gesundheitsdingen sollte die Wissenschaft das letzte Wort haben; aber wenn es um das Essen geht, können andere Wissensquellen und Erkenntnismethoden mindestens genauso aussagekräftig sein. Und obwohl ich mich bei dem Versuch, Ernährungs- und Gesundheitsfragen zu verstehen, notgedrungen auf die Wissenschaft verlasse (auch auf die reduktionistische), will ich hier auch zeigen, wie begrenzt eine rein wissenschaftliche Annäherung an etwas so Komplexes und Facettenreiches wie die Ernährung ist. Die Wissenschaft hat uns viel Wertvolles über das Essen zu sagen, und vielleicht werden Wissenschaftler irgendwann das Problem der Ernährung dadurch »lösen«, dass sie die optimale Mahlzeit hinsichtlich der Nährstoffe in eine Pille packen; aber momentan und auch in absehbarer Zukunft wäre es ein Fehler, Wissenschaftler über unser Menü entscheiden zu lassen. Sie wissen einfach nicht genug.
Nun werden Sie sich zu Recht fragen, wer ich überhaupt bin, dass ich Ihnen zu sagen wage, wie Sie essen sollen? Da empfehle ich Ihnen, die Ratschläge von Wissenschaft und Industrie in den Wind zu schlagen, und mache mich dann munter daran, meine eigenen Ratschläge zu erteilen. Woher beziehe ich meine Autorität? Hauptsächlich aus der Tradition und dem gesunden Menschenverstand. Das meiste von dem, was wir über das Essen wissen müssen, wissen wir schon – oder zumindest wussten wir es, bis wir zugelassen haben, dass Ernährungsexperten und Werbeleute unser Vertrauen in den gesunden Menschenverstand, die Tradition, unsere Sinneswahrnehmungen und die Weisheit unserer Mütter und Großmütter erschütterten.
Nicht, dass wir in dieser Angelegenheit großartig die Wahl gehabt hätten. Um 1960 war es fast unmöglich geworden, angesichts der Industrialisierung unserer Nahrung an traditionellen Essgewohnheiten festzuhalten. Wenn Sie Obst und Gemüse essen wollten, die ohne synthetische chemische Substanzen angebaut worden waren, oder wenn Sie das Fleisch von Tieren essen wollten, die ohne Pharmazeutika auf einer Weide groß geworden waren, hatten Sie Pech. Der Supermarkt war zum einzigen Ort geworden, an dem man Nahrung kaufen konnte, und die echten Lebensmittel verschwanden schnell aus seinen Regalen, um vom modernen Füllhorn stark bearbeiteter, nahrungsähnlicher Produkte ersetzt zu werden. Und weil so viele dieser Neuheiten unsere Sinne mit künstlichen Süßund Geschmacksstoffen vorsätzlich betrogen, konnten wir uns nicht mehr auf den Geschmack oder den Geruch verlassen, wenn wir wissen wollten, was wir da aßen.
Die meisten meiner Empfehlungen laufen auf Strategien hinaus, sich von der westlichen Ernährung zu verabschieden; allerdings war vor dem Wiederaufleben der Wochenmärkte, dem Aufschwung der Ökobewegung und der Renaissance der lokalen Landwirtschaft die Flucht aus dem konventionellen Ernährungssystem für die meisten Menschen keine realistische Option. Jetzt ist diese Alternative da. Ein postindustrielles Nahrungszeitalter beginnt; zum ersten Mal seit einer Generation ist es möglich, die westliche Ernährung aufzugeben, ohne auch die Zivilisation aufgeben zu müssen. Und je mehr Esser mit ihren Gabeln für eine andere Art von Nahrung votieren, desto üblicher und erreichbarer wird sie werden. Mein Buch ist nicht zuletzt das Manifest eines Essers, eine Einladung, sich der Bewegung anzuschließen, die unser Ernährungssystem im Namen der Gesundheit erneuert – Gesundheit im weitesten Sinne des Wortes.
Das
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