Leg los alter Sack
Bandscheibenvorfall im Nacken, eine Operation, viel Krankengymnastik und die immer wiederkehrende Aufforderung, in Rücken- und Schulterbereich »Muskeln aufzubauen«, am besten durch regelmäßiges Schwimmen. Ich erklärte allen Therapeuten, dass Schwimmen bei mir hektisches Zappeln mit überstrecktem Hals sei, um bloß nicht mit der Rübe unter Wasser zu geraten. Daraufhin riet mir natürlich jeder der orthopädisch Gebildeten vom Schwimmen ab. Das sei ja nun wirklich kontraproduktiv. Aber ich hatte es weiter im Nacken, war oft verspannt und steif, wo ich es nicht sein wollte. Muckibuden waren keine Alternative (siehe das entsprechende Kapitel über meine Odyssee in Sachen Krafttraining), und so haderte ich mit mir und dem fehlenden Muskelaufbau. Tja, und dann, als wieder einmal ein massiger Masseur schwärmte, wie verdammt klasse die Schwimmerei nacken- und rückentechnisch sei, und ich zuhause davon erzählte, sagte meine Frau: »Verdammt, ich bring es dir bei, das richtige Schwimmen! Gleich heute.« Und widerwillig, aber irgendwie tief drinnen doch motiviert, ging ich mit meiner Gattin Gesa in ein Freizeitbad. Ich traf all das an, was ich oben beschrieb. Hatte ich schon erwähnt, dass ich dieses ganze Aus- und Angeziehe und die engen Garderobenschränke und die von anderen Gästen eingenässten Schlüsselbänder auch eklig finde? Egal. Gesa war eine perfekte Lehrerin. Wir ignorierten das Treiben um uns herum, suchten uns eine etwas ruhigere Ecke und begannen mit dem Unterricht: Schwimmbrille auf, Kopf unter Wasser, ausatmen, Kopf wieder hoch, einatmen – und vor allem ruhig bleiben und nicht zappeln wie ein Molch. Es hat etwas gedauert, aber nach ein paar Übungseinheiten schwamm ich – in meinen Augen – schon so stark wie einst Mark Spitz bei der Olympiade. Gesa meinte dazu nur, ich könne mich ja jetzt immerhin schon selbständig über Wasser halten. Und das sei ein echter Fortschritt.
Kurz überlegten wir, ob ich mich einer Gruppe Vorschulkinder anschließen solle, die in der Nähe gerade für ihr »Seepferdchen« trainierten. Ich war echt scharf auf das Abzeichen, aber wir machten dann doch lieber allein weiter.
Und es funktionierte. Eisenhart ging ich jede Woche an zwei Tagen vor oder nach der Arbeit schwimmen, und nach zwei Monaten zog ich 20 Bahnen durch, als ob ich nie etwas anderes gemacht hätte.
Aus einem wasserscheuen Sack war ein veritabler Bahnenschwimmer geworden. Und ich will Ihnen, liebe Mitsäcke, dringend ans Herz legen, es mir nachzutun. Mediziner, Physiotherapeuten, Psychotherapeuten – alle empfehlen Schwimmen.
Man fühlt sich wirklich besser, wird fitter und nicht fetter und kommt mit einem echt guten Gefühl nach Hause, wenn man eine halbe Stunde richtig krass durchs Becken gepflügt ist.
Allerdings – und hier schließe ich an meine obigen Ausführungen an – muss man halt einige Dinge um einen herum ausblenden. Aber – hey – irgendeinen Haken gibt’s ja immer.
Also: Ignorieren Sie das gelegentliche Gedrängel und die Pimmelparaden in der Herrendusche. Das Gepruste und Gegrunze, wenn sich haarige, dicke Männer einschäumen und säubern. Halten Sie es einfach mannhaft aus, wenn das Wasser aus den Duschköpfen sandstrahlartig mit mörderischem Druck Ihren Rücken rötet. Und bleiben Sie cool, wenn Sie mit schrulligen Alten das Becken teilen. Ich tue das oft, weil sehr früh morgens die Hallenbäder den Rentnern gehören. Und das ist auch gut so. Die sind fit und lassen sich nicht unterkriegen. Aber einige von ihnen nerven schon. Da ist dieser alte Knacker mit der blöden Schwimmbrille, der wie ein welker Wels stoisch seine Bahnen zieht – egal, was um ihn herum passiert. Kreuzt man seine Bahn, weil man jemand anderem ausweichen muss, rammt der alte Knacker einen und pöbelt dann auch noch rum, das sei seine Bahn und so schwer sei das doch nicht zu kapieren. Ich schwimme deshalb immer ein-, zweimal extra in seine Bahn, um die zornesrote Birne des »Bahntorpedos« im grünlichen Wasser leuchten zu sehen.
Anstrengend können auch die »Badekappen-Schabracken« sein. So habe ich eine Gruppe agiler, älterer Damen getauft, deren Vorstellung vom Schwimmen so aussieht: Sie stehen in einem Kreis im Becken, unterhalten sich und bewegen dabei die Hände im Wasser. Manchmal gehen sie auch ein paar Schritte. Alle tragen gleißend hässliche Badekappen und gucken böse, wenn man zu nahe an sie heranschwimmt. Dabei blockieren sie das halbe Becken. Aber verdammt, ich rede ja schon
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