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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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hat.«
    Ich wende mich ab und setze mich auf die Couch. Es ist noch keine achtundvierzig Stunden her und dennoch habe ich die Schlagzeile schon zweimal auf den JumboTrons gesehen.
     
    WIRD JUNE IPARIS DIE NEUE PRINCEPS?
    Ich müsste froh sein, dass Day selbst das Thema angeschnitten hat – ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich es ihm sagen soll. Trotzdem beschleunigt sich mein Herzschlag und ich bin genauso nervös, wie ich befürchtet hatte. Vielleicht ist er mir böse, weil ich es ihm nicht sofort erzählt habe.
    »Wie viel hast du denn schon gehört?«, frage ich, als er sich neben mich setzt. Sein Knie streift sanft meinen Oberschenkel. Schon diese Berührung lässt einen Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch aufflattern. Ich blicke ihm ins Gesicht, um zu sehen, ob es Absicht war, aber Days Lippen sind unbehaglich aufeinandergepresst, so als wüsste er, dass er dieses Gespräch hinter sich bringen muss, ob er will oder nicht.
    »Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du Anden nicht mehr von der Seite weichen darfst. Dass er dich zu seiner Princeps ausbilden will. Stimmt das alles?«
    Ich seufze und lasse die Schultern hängen, dann vergrabe ich den Kopf in den Händen. Als ich diese Worte aus Days Mund höre, wird mir klar, wie groß die Opfer wirklich sind, die ich bringen müsste. Ich verstehe, warum Anden mich für diesen Posten auserwählt hat – natürlich hoffe ich auch, dass ich ihm helfen kann, die Republik zu verändern. Mit meiner militärischen Ausbildung, mit allem, was Metias mir beigebracht hat – ich weiß, dass ich ein Glücksgriff für die Regierung der Republik wäre. Aber …
    »Ja, es stimmt alles«, antworte ich und füge dann hastig hinzu: »Aber es war kein Heiratsantrag oder so – nichts dergleichen. Es ist die Chance auf einen Posten und es gäbe mehrere Anwärter darauf. Aber es bedeutet schon, dass ich Wochen … na ja … Monate unterwegs sein werde. Weit weg von …« Weit weg von dir, will ich sagen. Aber das klänge einfach zu kitschig und ich entschließe mich, den Satz nicht zu beenden. Stattdessen erzähle ich Day all die Dinge, die mir seitdem durch den Kopf gehen. Ich erzähle ihm von dem mörderischen Zeitplan eines Princeps-Anwärters und davon, wie ich mir vielleicht kleine Freiräume einrichten könnte, wenn ich das Angebot annehmen würde, und dass ich mir im Moment nicht sicher bin, inwieweit ich mich für die Republik aufopfern will.
    Nach einer Weile fällt mir auf, dass ich ins Schwafeln geraten bin, doch es fühlt sich so gut an, mir das alles einmal von der Seele zu reden, dem Jungen, der mir so viel bedeutet, mein Herz auszuschütten, dass ich trotzdem nicht aufhöre. Wenn es in meinem Leben einen Menschen gibt, der es verdient hat, alles zu erfahren, dann ist es Day.
    »Ich weiß nicht, was ich Anden antworten soll«, schließe ich. »Er hat mich nicht unter Druck gesetzt, aber ich werde ihm bald eine Antwort geben müssen.«
    Day sagt nichts. Die Flut meiner Worte hängt in der Stille zwischen uns. Ich kann die Gefühle in seinem Gesicht nicht deuten – eine Art Verlorenheit, als wäre seinem Blick irgendetwas entrissen und auf dem Boden verstreut worden. Eine tiefe, stille Traurigkeit, die mir das Herz bricht. Was geht in Days Kopf vor? Glaubt er mir? Denkt er, so wie ich am Anfang, Anden hätte mir dieses Angebot nur gemacht, weil er persönlich an mir interessiert ist? Ist er traurig, weil wir uns die nächsten zehn Jahre kaum sehen würden? Abwartend blicke ich ihn an und versuche vorherzusehen, was er sagen wird. Natürlich ist er nicht glücklich mit der Vorstellung, natürlich wird er versuchen, mich davon abzubringen. Ich bin ja selbst nicht glücklich mit –
    »Nimm das Angebot an«, murmelt Day plötzlich.
    Ich beuge mich zu ihm, weil ich nicht sicher bin, ob ich ihn richtig verstanden habe. »Was?«
    Day mustert mich eindringlich. Seine Hand zuckt leicht, als wollte er sie heben und mir über die Wange streichen. Doch sie bleibt an seiner Seite liegen. »Ich bin hergekommen, um dir zu sagen, dass du es annehmen sollst«, wiederholt er leise.
    Ich blinzele. Meine Kehle zieht sich zusammen, die Welt vor meinen Augen verschwimmt zu einem schillernden Nebel. Das kann er doch nicht ernst meinen – ich hatte mich auf mindestens ein Dutzend unterschiedlicher Reaktionen von Day eingestellt, aber nicht auf diese. Oder vielleicht ist es auch nicht das, was er gesagt hat, was mich so erschüttert, sondern die Art, wie er es gesagt hat.

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