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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
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hochzeitsweiß mit nuttenroten Ledersitzen, schnurrte die Weinsteige hinauf wie ein Pferd auf dem Weg zum Stall. Seit meinem Rauswurf beim Stuttgarter Anzeiger war ich nicht mehr dort oben gewesen. Der Pförtner war neu und kannte mich nicht. So konnte ich behaupten, zum Wochenblättle zu müssen.
    Karen Becker, Archivarin und Verwalterin der Dok u mente zum Anfassen, freute sich, mich wieder einmal in ihr feuerfestes und bombensicheres Archiv eintreten zu sehen.
    Meine Anfragen waren stets umfassend: »Alles über den Mond.«
    Ihr Ordner war antiquarisch dick.
    Am 21. Juli 1969 hatte im roten Kästchen der Bild g e standen: »Heute MOND Zeitung«. Es war ein Montag gewesen. »Der Mond ist jetzt ein Ami. Die letzten 150 Meter vor der Landung, das war die größte Strapaze der Reise zum Mond. Die Welt des Menschen hört seit heute Morgen nicht mehr am Himalaja oder am Nordpol auf. Sie reicht 380000 Kilometer weiter: zum Mond.«
    »Der WDR war damals live dabei.« Karen Becker strich sich die Jungfernsträhne hinters Ohr. »Meine El tern haben mich nachts geweckt, als Armstrong au s stieg. Das weiß ich noch.«
    Da war ich gerade mal zwei Jahre auf der Welt gew e sen.
    Zwei weitere Presseantiquitäten stammten vom 4. O k tober und 4. November 1957. Im Oktober hatten die Ru s sen einen winzigen, gut achtzig Kilogramm schweren Mond in die Umlaufbahn geschossen, den Sputnik, der sinnlos vor sich hin piepste und nach ein paar Wochen verglühte. Und im November, wieder an einem Montag, titelte Bild : »Ein Hund rast durch den WELTE N RAUM«.
    »Welt-en-raum«, wisperte Becker.
    »Sensation aus Moskau: Die Russen sch osse n noch einen Mond in den Himmel.«
    »Satelliten wie heute gab es damals ja noch nicht«, lä chelte Becker.
    Das Schwarzweißfoto zeigte den schmalen Kopf eines weißen Mischlingsköters mit Kippohren und Leiden s blick in einer gläsernen Taucherglocke, die Klimaka m mer hieß. Ein Pfeil durchquerte den Text. Auf dem stand: »Das ist Linda.«
    »Eigentlich hieß der Hund Laika«, sagte Becker.
    Im April 1961 flog dann Juri Alexejewitsch Gagarin als erster Kosmonaut einmal um die Erde, während den Amerikanern nichts gelang. 1967 verbrannten drei am e rikanische Astronauten bei einem Test am Boden in der ersten Apollo-Kapsel, weil sich der reine Sauerstoff en t zündet hatte. 1968 umrundeten die Amerikaner endlich den Mond, und am 20. Juli 1969 meldete sich Neil Ar m strong beim Raumfahrtzentrum Houston mit den Worten: »Tranquilitatis Base here. The eagle has landed.« Der Adler war also im Meer der Ruhe gelandet. Wenige Stunden später setzte Armstrong seinen Fuß in den Mondstaub. Fünf weitere Landungen hatte es danach noch gegeben, bevor der Mond für dreißig Jahre in Ve r gessenheit geriet. Die Mir wurde gebaut und verglühte. Die ISS entstand. Und plötzlich begann der Wettlauf er neut. »Der Mensch besiedelt den Mond.« Die Schla g zeilen zum Aufbau der Artemis ähnelten einander, die Fragen staunender Journalistinnen und Journalisten e r zeugten immer wieder dieselben Antworten: »In zwanzig Jahren wird es ganze Dörfer auf dem Mond geben, hu n dert Jahre nach der ersten Mondlandung wird der Erdtr a bant vielleicht seine Unabhängigkeit erklären.«
    Vorerst herrschte Forschungsakribie statt Abenteue r lust. Die Zeitungen notierten die Sensationen klein unter Vermischtes: »Neodym auf dem Mond«. Dabei handelte es sich um einen Grundstoff für superkleine Magnete. »Bärtierchen reisen zum Mond.« Das wiederum waren milbenkleine Viecher, die überall auf der Erde vorkamen und bei großer Kälte oder Hitze ihren Stoffwechsel auf null stellten und in einem totenähnlichen Zustand, Kry p tobiose genannt, überdauerten, bis die Bedingungen wi e der besser wurden.
    »Südafrikanischer Astrotourist will Mondhotel ba u en.« So lautete die Überschrift eines Artikels über die vier Gäste, die derzeit in der Artemis saßen, darunter ein sa u discher Scheich und ein indischer Softwareunterne h mer. Sie waren vor vier Wochen in einem russischen Modul hinaufgebracht worden und würden in knapp zwei W o chen wegen eines Defekts an dem russischen Modul mit dem europäischen Space transportation system, dem STS-213, auf die Erde zurückkehren. Und zwar – da schau her – nach Friedrichshafen. Ein paar Tage vorher würde dort das STS-214 mit einem deutschen Astron o men, einem französischen Journalisten und einem span i schen Europaabgeordneten an Bord Richtung Mond sta r ten.
    »Was das alles wieder

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