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Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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eingezogen.«
    »Sie Glückliche«, erwiderte Petrie, und das schien sie tatsächlich ernst zu meinen.
    »Wir haben die Erde gesiebt und sind dabei auf verschiedene Gegenstände gestoßen«, erklärte Dr. Isles. »Ein paar Knöpfe
und eine verzierte Gürtelschnalle, alles eindeutig sehr alt.« Sie griff in eine Kiste, die neben den Gebeinen stand. »Und heute haben wir das hier gefunden.« Sie nahm einen kleinen verschließbaren Plastikbeutel heraus. Julia sah bunte Edelsteine durch die transparente Hülle schimmern.
    »Das ist ein sogenannter Regard-Ring«, sagte Dr. Petrie. »Diese Art von Akrostichon-Schmuck war im frühen Viktorianischen Zeitalter der letzte Schrei. Die Anfangsbuchstaben der verschiedenen Steine bildeten ein Wort. Ein Rubin, ein Smaragd und ein Granat – ruby , emerald und garnet – ergaben zum Beispiel die ersten drei Buchstaben des Worts regard , also ›Hochachtung‹. Solche Ringe verschenkte man als Zeichen der Zuneigung.«
    »Sind das echte Edelsteine?«
    »O nein. Das ist wahrscheinlich nur farbiges Glas. Der Ring hat keine Gravur – das ist billiger Modeschmuck, Dutzendware.«
    »Ob es wohl Aufzeichnungen über die Beisetzung gibt?«
    »Das bezweifle ich. Mir scheint, dass es sich hier eher nicht um ein ordentliches Begräbnis handelt. Es gibt keinen Grabstein, keine Sargreste. Sie wurde einfach in ein Stück Leder gewickelt und verscharrt. Eine ziemlich respektlose Art, mit einer Verstorbenen umzugehen.«
    »Vielleicht war sie arm.«
    »Aber warum dann dieser spezielle Ort? Hier gab es nie einen Friedhof – jedenfalls ist auf den historischen Karten keiner verzeichnet. Ihr Haus ist rund hundert Jahre alt, nicht wahr?«
    »Es wurde 1880 erbaut.«
    »Regard-Ringe waren in den 1840er-Jahren schon aus der Mode gekommen.«
    »Und was war hier vor 1840?«, fragte Julia.
    »Soweit ich weiß, war das Grundstück Teil eines Landguts, das einer bedeutenden Bostoner Familie gehörte. Das meiste dürfte Weideland gewesen sein. Landwirtschaftliche Nutzflächen.«

    Julia blickte den Hang hinauf, wo Schmetterlinge zwischen den Blüten der wilden Möhren und der Wicken umherflatterten. Sie versuchte, sich das Grundstück so vorzustellen, wie es damals ausgesehen hatte. Ein offenes Feld, das zu dem von Bäumen beschatteten Bach hin abfiel, ein paar grasende Schafe. Ein Ort, an dem sich normalerweise nur Tiere aufhielten. Ein Ort, wo ein Grab schnell in Vergessenheit geraten würde.
    Vicky starrte mit angewiderter Miene auf die Knochen herab. »Ist das – ein Mensch?«
    »Ein vollständiges Skelett«, antwortete Petrie. »Sie wurde tief genug begraben, um vor Tierfraß geschützt zu sein. An diesem Hang fließt das Wasser ganz gut ab. Und die Lederfragmente, die wir gefunden haben, deuten darauf hin, dass sie in eine Art Tierhaut gehüllt war. Die ausgewaschenen Tannine dürften eine konservierende Wirkung gehabt haben.«
    »Es war also eine Frau?«
    »Ja.« Petrie blickte auf, die wachen blauen Augen in der grellen Sonne zusammengekniffen. »Es handelt sich um ein weibliches Skelett. Nach dem Zahnstatus und dem Zustand der Wirbel zu urteilen war sie noch recht jung, mit Sicherheit noch keine fünfunddreißig. Alles in allem ist sie erstaunlich gut erhalten.« Petrie sah Julia an. »Bis auf den Sprung, der von Ihrer Pflanzschaufel stammt.«
    Julia errötete. »Ich habe den Schädel für einen Stein gehalten.«
    »Es ist nicht schwierig, zwischen alten und neuen Frakturen zu unterscheiden. Sehen Sie.« Petrie ging wieder in die Hocke und nahm den Schädel in die Hand. »Der Sprung, den Sie verursacht haben, ist genau hier, und die Risse zeigen keinerlei Verfärbung. Aber sehen Sie die Fraktur hier, im Scheitelbein? Und da ist noch eine zweite im Jochbein, unter dem Auge. Diese Flächen sind vom langen Liegen in der Erde braun verfärbt. Das verrät uns, dass es sich um prämortale Frakturen handelt und nicht um Ausgrabungsschäden.«
    »Prämortal?« Julia sah sie an. »Wollen Sie damit sagen …«

    »Diese Schläge haben mit ziemlicher Sicherheit ihren Tod verursacht. Das war ein Mord, wenn Sie mich fragen.«
     
    In der Nacht lag Julia wach, lauschte auf das Knarren der alten Böden, das Rascheln der Mäuse im Mauerwerk. So alt dieses Haus auch war, das Grab draußen war sogar noch älter. Während Arbeiter diese Balken zusammengehämmert, während sie die Kiefernholzböden verlegt hatten, war nur wenige Dutzend Schritte von hier die Leiche einer unbekannten Frau in der Erde verrottet. Hatten sie

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