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Leichensache

Leichensache

Titel: Leichensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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sich denken können, wird Herr Engel ohne mich keine Aussage machen. Können Sie mir schon erste Ermittlungsergebnisse mitteilen?« Unschuldsmiene. Der kann es nicht lassen.
    »Herr Droste, einen wunderschönen guten Morgen. Schon so früh auf den Beinen? Ich dachte immer, das hätten nur arme Beamte nötig.«
    »Die Pflicht, Herr Kirchenberg. Gibt’s schon was?«
    »Sie kennen doch das Spiel, Herr Rechtsanwalt, Akteneinsicht nur über die StA. Daran hat sich noch nichts geändert.«
    »Gut«, er zieht die Luft scharf durch die Nase ein, »mein Mandant wird ohne mich keine Aussage machen.« Glowatzki linst herüber. »Ich bitte Sie, das zu respektieren. Also: keine Spielchen.«
    Er reicht die Vollmacht, grüßt, geht. Stroter und Glowatzki kommen näher.
    »Der wird Engels Arsch auch nicht mehr retten. Rechtsverdreher.«
    Ulla lugt aus der Tür, winkt.
    »StA Nagel. Wollte dich sprechen.« Der Hörer liegt neben dem Telefon.
    »Kirchenberg.«
    »Ja, Klaus Nagel hier. Wollte mal eine kurze Lagemeldung, mein letzter Stand ist von gestern 22.30 Uhr, und ich komme hier im Moment nicht weg.«
    »Du, ich bin auch grad gekommen. Der Scheißwecker … Das Beste zuerst: Unser Mann lässt sich von Droste vertreten. Vernehmungsmäßig ist da also jetzt Schicht.«
    »Das hat Ulla schon erzählt. Bei dem Spurenbild nützt ihm das auch nichts mehr. Ist der TÜ-Antrag durchgegangen?«
    »Keine Ahnung, das soll aber wohl geklappt haben.« Ulla hört das Schnippen. »TÜ?«
    Sie nickt.
    »Klaus, ich gebe dich mal weiter, ja? Ulla ist wie immer voll auf Ballhöhe.«
    Sie nimmt den Hörer mit Jetzt-braucht-der-auch-nicht-mehr-zu-kommen-Gesicht. Die TÜ steht. Seit gestern Abend. Keine neuen Erkenntnisse aus den Vernehmungen. Relativ normale Familie ohne Vater. Sie legt auf, Seufzer.
    »Wenn ich mit dem verheiratet wäre, würde ich euch auch irgendwann einen schönen Tatort hinlegen.« Sie zerknüllt ein Blatt Papier, wirft es ungelenk in den Papierkorb. Warum können Frauen eigentlich nicht werfen?
    12 Uhr 25
    Im grünen Plastikuntersatz des Gummibaumes steht ein Finger hoch Wasser. Die Fliege versucht, den Rand hochzukriechen, ist schon zu schwach. Das Wasser hält sie fest. Oberflächenspannung? Oder warum kommt die da nicht raus? Na, kleiner Rettungsversuch?
    »Gratuliere, du altes Rübenschwein. Habt ihr ihn am Fliegenfänger.« Georg drischt von hinten auf die Schulter, das Besteck auf seinem Tablett scheppert an den Teller. Die am Vordertisch drehen sich um, reden weiter.
    »Du weißt doch, Georg, irgendwann kriegen wir sie alle, fast alle …«
    »Bei euch vielleicht.« Er spreizt den Zeigefinger vom Tablettrand ab. »Von meinen Eierdieben laufen noch ’ne ganze Menge frei herum. Aber nur kein Neid, einer muss den Job ja machen«. Er geht weiter, hebt seine Königsberger Klopse zum Abschied. Das scheint hier auch schon wieder jeder zu wissen. Unerklärlich.
    Die Fliege schwimmt bewegungslos im Blumenwasser.
    Helga hinter der Theke winkt.
    »Konni? Ulla!« Sie hält die Hand mit gespreiztem Daumen und Zeigefinger ans Ohr. »Du sollst hochkommen, es ist so weit.« Pause. »Kriegt sie ein Kind?« Helga macht Witze.
    Im Fahrstuhl stinkt es schon wieder nach Knoblauch. An der Innenseite der Tür die üblichen Graffitis, nichts Neues. Er fährt erst abwärts, der obere Querbalken vom digitalen K ist kaputt. Die Tür schabt nach links, Altenkamp schiebt Engel in den Fahrstuhl, Hände auf dem Rücken in der Acht. Stroter hebt das Kinn, zieht die Luft hörbar durch die Nase ein. Kein Wort. Engel sieht nach unten, die Kiefermuskeln mahlen. Jetzt bist du dran.
    Digitale drei. Schaben nach links. Stroter klappt die Außentür auf, stoppt kurz, Engel hinterher. Keiner im Treppenhaus, in Prozession Richtung Flur. Die Tür der Damentoilette öffnet sich lautlos, Wierwichs Kopf erscheint.
    Nein! Neeiiiin! Zu spät.
    Sie grüßt, lächelt verlegen, sieht Engel mit dem zweiten Blick. Ihre Bewegungen erfrieren. Langsam bildet sich ein dünner Spalt zwischen den Lippen, wird größer. Die Nasenflügel beginnen zu beben, das Brustbein im V-Ausschnitt mit Spitze hebt sich schneller. Die Finger gespreizt. Ganz langsam löst sich eine Träne, streift unruhig den Nasenflügel, bleibt an der Oberlippe hängen.
    Engel sieht zur Decke, Granitgesicht. Seine Schläfen pochen, zwischen den Bartstoppeln auf der Oberlippe kleine Perlen. Stroter zieht ihn mit einem Ruck weiter, stolpert fast, Altenkamp hinterher.
    Wierwich schließt langsam die Augen, Tränen

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