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Leichensache

Leichensache

Titel: Leichensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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Lindenwinkel
    Sachverhalt:
    In der Nacht zum 10.08.00 sind auf der Weide am Pfarracker einer Eselstute die Ohren gespalten und Schnittverletzungen im Scheidenbereich beigebracht worden. Das Tier wurde erheblich verletzt, musste aber nicht eingeschläfert werden. Der gegen 01.00 Uhr durch den Lärm alarmierte Rentner
    Paul Zimmer, 14.03.18 in Karlsruhe,
    wh. hier, Pfarracker 12,
    konnte eine Person in der Koppel erkennen, die auf Anruf flüchtete.
    Bei der anschließenden Nahbereichsfahndung wurde auf dem Hof der ca. 500 in entfernten alten Möbelfabrik Holzel der zz. beschäftigungslose Arbeiter
    Marc Engel, 02.04.81 in Teutschenthal,
    Pers. s. o.,
    aufgegriffen. Der Beschuldigte konnte keinen plausiblen Grund weder für seinen Aufenthalt noch für seine erdverschmierten Schuhe angeben. Eine durchgeführte Gegenüberstellung mit dem Zeugen vor Ort verlief negativ. Engel machte bei der Vernehmung keine Angaben.
    Nathues, KOKin
     
    Abgewichste Sau.
    Im Radio fiepen die letzten Sekunden.
    »Null Uhr. Hier ist WDR II mit Nachrichten. Heute ist Mittwoch, der 22.08.2002.«
    Acht Tage. Eigentlich ganz gut. Glowatzki hat ihn jetzt eine Stunde in Arbeit, gleich mal hören. Scheint ein ganz cooler zu sein, jedenfalls cooler, als er aussieht. Schritte auf dem Flur, Ulla schiebt die Tür auf, der Notarzt dahinter.
    »Ach, der Herr Dr. Bokemeyer. Wir haben uns ja lange nicht gesehen. Tut man sich das in Ihrem Alter noch an?«
    Er klemmt sich die Zigarette zwischen Mittel- und Ringfinger, lächelt mit Augenlidern auf halb acht. Immer noch reichlich viel Schwarz im satten Schopf.
    »Ich habe doch nichts anderes gelernt. Außerdem kann ich mit mir allein nichts anfangen. Ich werde unausstehlich, wenn ich nicht irgendwo eine Spritze reinstecken kann.«
    Ulla hält die Warmhaltekanne hoch, fragender Blick. Bokemeyer will. Mit Milch.
    »Heute ist es kein Alki, wir haben einen …« Er nickt beim Kaffeetrinken.
    »Ich habe ihn schon informiert.« Ulla nimmt sich auch einen. Drei Stück Zucker. Ulla, Ulla. Sie streckt die Zunge raus.
    »Eigentlich machen wir die Proben für die DNA ja in der Klinik, aber wenn wir gleich morgen um fünf losfahren zum Institut, haben wir einen Zeitvorteil. Je früher, desto besser.«
    »Einbrecher, Vergewaltiger, Autofahrer, Mörder, ich zapfe nachts alles, solange es dafür Zaster gibt.«
    Kann ich mir vorstellen. So lange, wie der dabei ist, hatte der bestimmt schon alles. Mal vorsichtig bei Glowatzki fragen, wann es passt. Die Tür zum Vernehmungszimmer ist geschlossen, von draußen ist nichts zu hören. Er geht es erst mal langsam an, wie gewohnt. Der Türgriff macht keine Geräusche, die Schreibtischlampen brennen. Engel auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch, zurückgelehnt, raucht. Glowatzki sitzt auf der Schreibtischkante, halber Meter Abstand. Stroter lehnt an der Wand gegenüber, verschränkte Arme. Heike verkriecht sich auf einem Stuhl in der Ecke. Die neue junge Schreibkraft an der Tastatur, unauffällig. Stille. Engel bläst den Rauch verhalten nach unten, spielt damit.
    »Wie ging der Dienstagabend weiter?« Er ist sehr konzentriert, sieht den Wink nicht.
    »Bin dann irgendwann losgefahren. Habe noch was gegessen unterwegs, bei McDrive an der Autobahn …«
    »Wo?«
    »… weiß ich nicht mehr.«
    Glowatzki zieht die Augenlider zusammen, sieht hoch, gibt Stroter ein Zeichen, kommt mit auf den Flur.
    »Wie läuft’s?«
    »Wir sind noch immer am Anfang. Er ist noch dabei, seinen Zeitteppich zu knüpfen, aber mühsam. Wir lassen die Schlingen noch ganz groß.«
    Draußen startet ein Streifenwagen mit Martinshorn, der Motor jagt im obersten Bereich durch die Automatikstufen.
    »Der Doc ist da. Wenn wir ihn jetzt zapfen könnten, lägen die Proben morgen um sieben im Institut. Oder passt es nicht?«
    Er beißt sich auf die Unterlippe, eine Schneidezahnkrone wird an der Wurzel dunkel.
    »Lass uns die Blutprobe hier machen, so zwischendurch, ganz belanglos. Dann können wir das Ganze vielleicht sogar noch nutzen. Möglicherweise.«
    »Nutzen?!«
    »Ja. Wir verletzen seine Unversehrtheit. Wir dringen in ihn ein. Vielleicht gar nicht so schlecht.« Er zieht seine Mundwinkel nach oben. »Lach nicht.«
    Da taucht er aber wieder ganz tief ab. Solche Gedanken macht sich in diesem Land kein anderer Polizist.
    »Der Doc sitzt schon drüben bei mir. Wann meinst du?«
    »Innerhalb der nächsten halben Stunde. Ich ruf kurz an.« Er geht wieder rein, schließt die Tür sacht. Die Augen brennen, im Bauch ein

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