Leichensache
lebhaft mit dem jungen Meister. Sie sieht herüber, grüßt kollegial.
Bei Sener ist ein Tisch am Fenster besetzt. Eltern mit Kind.
»Ach, der Herr Kommissar«, er lächelt warm. Längerer Blick, müde Augen. »Du siehst aus, als wenn du ein Bett brauchst.« Er erwidert das Nicken. »Ein Bier?«
»Gib mir einen Schnaps.«
Er zieht die Brauen hoch, zapft nebenbei.
»Schnaaaps? War heute nicht dein Tag?«
»Wir haben heute einen Mörder gefasst.«
»Oh! Die Sache mit der Studentin? Glückwunsch. Macht das so müde?« Er stellt den Wacholder auf die Theke, daneben das Wasser. Die Kohlensäurebläschen lösen sich nach und nach von der Glaswand.
»Wie steht der Islam eigentlich zu Homosexualität, Sener?«
Kurzes gestoßenes Lachen, langer Blick aus gesengten Augen.
»Hast du dich in einen Mann verliebt?« Er schneidet eine Grimasse.
»Nein, nein. Ich bin immer noch so was von heterosexuell. Aber in meinem Weltbild ist heute mit einem dicken Pinsel kräftig rumgekleckst worden.«
Sener zapft zu Ende. Hat er das verstanden?
»Dass dir das bei deinem Job auch noch passiert, hätte ich nicht gedacht. Aber solange die Farbe noch feucht ist, ist es immer schwer.« Sener. Der alte Philosoph.
»Weißt du, was mir am meisten fehlen würde«, seine Hand ruht auf dem Zapfhahn, er guckt ein Loch in die Luft, denkt, »am meisten würde mir die Überraschung fehlen. Ist es nicht furchtbar, beim anderen immer dasselbe in der Hand zu haben wie bei dir selbst jeden Morgen?« Er formt die Rechte, als habe er etwas Rundes in der Klaue, beginnt still zu lachen, schlägt auf die Theke, grölt, der Bauch wippt.
Das Kind am Tisch hört auf zu essen.
DONNERSTAG
9 Uhr 45
Auf dem Hof vier Vectras, zwei Bullis und drei Zivilwagen. Zwei uniformierte Jünglinge rüsten einen der Bullis auf. Der Stämmige überprüft die Absperrklamotten im Kofferraum. Klappe zu und ab. Die Schranke hebt sich gemächlich, sie rollen langsam raus.
Silbermann kommt aus der Waschhalle, kurze Jeans mit Bügelfalte, Sandalen, grauer Kittel über weißen Socken. Geht wie eine Ente, stoppt, geht wieder in die Waschhalle.
Eine Taube nutzt die Leere, holt sich einen Brötchenrest vom Gullydeckel vor den Müllcontainern.
Silbermann kommt wieder, fummelt beim Gehen an etwas Rotem herum, verschwindet unter dem Vordach der Garagen. Die Taube holt sich den Rest des Brötchens, fliegt los, verliert das Stück nach wenigen Metern, kommt zurück. Sie wird von einem Streifenwagen vertrieben. Die beiden Uniformierten steigen aus, hochgekrempelte Ärmel, Bodybuilderarme, holen einen Jugendlichen vom Rücksitz. Mit Handfessel. Sie öffnen die Tür zur Wache mit Zahlencode. Die Taube kommt wieder.
Lichtkegel von Straßenlaternen, der Kadett in einer dunklen Ecke, Kerstin parkt, steigt aus, hinterher, an der Haustür überwältigen, Mund zu, in die Wohnung drücken …
Kerstin parkt, schließt auf, geht hinein, aussteigen, über den Zaun, durch den Garten, die Verandatür steht auf, hm, hm …
… noch keiner da, Kadett in einer Nebenstraße geparkt, Dunkelheit, abwarten, durch den Garten, Terrassentür auf kipp, entriegeln, Diebesgut, Schlüssel dreht sich im Schloss, Kerstin kommt rein, verstecken, junge Frau, geil werden, bedrohen … die Terrassentür …
… verstecken, junge Frau, geil werden, Terrassentür schließen, überwältigen, hm, hm …
… Schlüssel im Schloss, durch Terrassentür abhauen, stehen bleiben, Kerstin kommt herein, zieht sich aus, geil werden, wieder hinein, Tür schließen, überwältigen …
Ries und Maurer vom KK 23 schlürfen über den Hof, Ries mit Krawatte, Mappe unter dem Arm, verschwinden unter dem Garagendach. Der dunkelblaue 190er rollt langsam heraus, die Schranke hebt sich.
»Tagträumerei?« Ulla kommt mit zwei Aktenordnern herein, sortiert Blätter in die Teamkörbchen. »Helmut fragt, ob wir heute Nachmittag den Raum freimachen können. Thomas hat das tote Rentnerehepaar von heute Nacht. Wäre schön, wenn er von Anfang an hier reinkönnte.«
»Schon gehört. Sah erst nach Suizid aus, war es aber wohl nicht.«
»Ne, und wie es nach dem ersten Angriff aussieht, wohl auch kein Hinweis auf einen Täter.«
»Ich packe gleich meine Sachen und geh dann zu mir rüber.«
»Ich fange schon mal an. Die Teams wissen größtenteils schon Bescheid. Wann lösen wir auf?«
»Heute Abend ist Schlussbesprechung, jedenfalls mit dem Rest, der noch da ist. Nur Glowatzki soll in den nächsten Tagen noch einige Vernehmungsversuche
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