Leichenschänder
Fahrer suchte. Er zwinkerte mir zu und fragte mich, ob das nicht ein Job für mich wäre.
Zuerst hatte ich Bedenken. Meine einzigen bisherigen kriminellen Aktivitäten waren Filmdiebstähle in Kaufhäusern gewesen. Aber ich brauchte das Geld, um mir eine ordentliche Kamera, diverse Objektive, ein Stativ und ein paar nützliche Kleinigkeiten kaufen zu können. Und selbst wenn ich das alles gebraucht erwarb, würde ich etwa zwanzig Riesen dafür hinblättern müssen.
Also sagte ich ja.
Die erste Fahrt erwies sich als echte Belastungsprobe für meine Nerven. Obwohl Rübe mir versichert hatte, dass nichts schiefgehen könne, hatte ich klebrigen Schweiß auf der Stirn und sah mich bereits in einer engen Gefängniszelle, die nur durch eine unverkleidete Glühbirne erhellt wurde.
Doch alles ging glatt. Ich fuhr mit einer halben Stunde Vorsprung vor Rübe zur Grenze, zeigte meinen Pass und wurde durchgewunken. Einfach so, ohne die geringsten Probleme. Ich wartete wie vereinbart in einem nahegelegenen Tankstellenrestaurant, paffte unzählige Zigaretten und schaute alle paar Sekunden auf die Uhr.
Rübe tauchte nach fünfunddreißig Minuten auf, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, und bestellte uns beiden einen Schnaps. Dann ging er zur Theke, übergab dem Wirt die Autoschlüssel und nahm einen braunen Umschlag in Empfang. Wieder grinste er mich an und gab mir mit dem Daumen das Okayzeichen.
Der Rest war ein Kinderspiel. Wir übernachteten im Gästezimmer des Tankstellenrestaurants, und am nächsten Abend brachte uns der Wirt zum Bahnhof. Im Zug machten wir da weiter, wo wir am Vortag aufgehört hatten, nämlich mit Schnaps. Als wir in Wien angekommen waren, mussten wir uns gegenseitig stützen, um nicht auf den Bahnsteig zu fallen.
In meiner Wohnung besah ich mir das Geld. Fünfhundert Dollar. Die halbe Ausrüstung. In einer Woche sollte das Ganze noch mal ablaufen; zum zweiten und letzten Mal für mich. Ich wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Ich brauchte zwanzig Riesen, also rund tausend US-Dollar. Die würde ich mir verdienen, und dann war Schluss.
Wieder fuhr ich voraus, und wieder wartete ich im Tankstellenrestaurant. Diesmal ließ sich Rübe Zeit. Als er nach einer Dreiviertelstunde immer noch nicht aufgetaucht war, wurde ich langsam unruhig, und zwanzig Minuten später – nach wie vor keine Spur von Rübe – machte ich mir ernsthaft Sorgen. Ich traute mich nicht zur Grenze zu fahren und nachzuschauen, ob man ihn geschnappt hatte, also ging ich nach drei Stunden Warten ins Bett, versteckte meinen Anteil unter dem Kopfpolster und hoffte auf das Beste.
Am nächsten Morgen weckte mich der Wirt und erklärte mir in holprigem Deutsch, dass Rübe bei der Grenzkontrolle offensichtlich in Panik geraten, geflüchtet und dabei von einem Zöllner erschossen worden sei.
Ich versteckte mich sicherheitshalber noch ein paar Tage in Ungarn und fuhr schließlich schlotternd vor Angst wieder nach Wien. Ich kaufte mir am Bahnhof eine Flasche Schnaps, legte zu Hause die fünfhundert Dollar zu meinen restlichen Scheinen und soff zwei Tage ohne Pause. Das letzte Glas trank ich auf Rübe.
Drei Tage später hatte ich meine Ausrüstung beisammen.
Die nächsten Monate arbeitete ich als Plakatkleber und Zettelverteiler und fotografierte nebenbei. Meine Bilder wurden besser, und ich schickte sie fleißig an alle möglichen Magazine und Zeitungen, dennoch fand ich keinen Job als Fotograf.
Ich wollte die Knipserei schon aufgeben, als ich in einem Gratisblättchen auf eine Anzeige der Boulevardzeitung
Voll Dran!
stieß.
Wenn Sie jung, dynamisch und ehrlich sind und harte Arbeit nicht scheuen, haben wir einen Job als Fotograf in einer Zeitung mit Niveau für Sie!
Ich fühlte mich sofort angesprochen, besonders was die Ehrlichkeit betraf, und machte einen Termin für ein Vorstellungsgespräch aus. Herr Huber, der Boss, schaute sich meine Fotos an, bedachte manche davon mit einem wohlwollenden Blick und beschränkte sich ansonsten auf ein rachitisches Grunzen. Dann strich er seine schlecht gefärbten, fettigen Haare zurück, grinste mich an wie ein Gebrauchtwagenhändler und gratulierte mir zu meinem neuen Job bei
Voll Dran!
.
Damals dachte ich, dass dies mein Glückstag sei und ich von jetzt an ein besseres, ruhigeres Leben führen würde.
Mann, lag ich falsch.
Zwei
Völlig außer Atem – ich war drei Stockwerke hochgerannt, weil der verdammte Lift mal wieder defekt war – traf ich in der Redaktion ein.
Frau Eisenhut, die
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