Leichenschänder
Einfall, der sich dann verselbständigt hat?“
„Wovon, um alles in der Welt, reden Sie!?“, rief Steinkopf mit hochrotem Gesicht.
„Von Ihrer Tochter.“
„Wagen Sie es nicht …“, murmelte er.
„Ich stell mir das so vor: Ihre Tochter braucht dringend ein Spenderherz, oder sie stirbt. Sie ist weit hinten auf der Warteliste, und langsam wird die Zeit knapp. Also beauftragen Sie den verzweifelten Ex-Chirurgen Bodo Mikanuda, ein Spenderherz für Ihre Tochter zu besorgen. Vielleicht hat er Stefan Andergast beschattet, vielleicht hat er ihn sich völlig willkürlich als Opfer ausgesucht, auf jeden Fall hat Mikanuda ihn umgebracht, ihm das Herz herausgeschnitten und es in einer Box mit Nährlösung weggeschafft. Vielleicht ist er auch für die Tiermorde verantwortlich. Ein gut geplantes Ablenkungsmanöver, um den Mord an Stefan einem fanatischen Vegetarier in die Schuhe zu schieben. Oder es gibt diesen Vegetarier wirklich und Mikanuda hat sich gedacht, wenn er dessen Tatmuster kopiert, ermittelt die Polizei erst gar nicht in eine andere Richtung.“
Steinkopf schüttelte den Kopf und sagte: „Sie sollten Ihr Glück als Drehbuchautor für Fernsehkrimis versuchen, junger Mann. Denn was Sie mir hier gerade aufgetischt haben, ist der abenteuerlichste Blödsinn, den ich seit langem gehört habe.“
„Abenteuerlich? Möglicherweise. Aber Blödsinn? Das sehe ich anders.“
„Und wie hätte meiner Tochter das gestohlene Herz eingepflanzt werden sollen?“, fragte Steinkopf. „Kein Spital in Österreich würde ein Organ transplantieren, dessen Herkunft zweifelhafter Natur ist.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Im ehemaligen Ostblock erledigt man solche Eingriffe sicher gern, ohne groß Fragen zu stellen, solange das Geld stimmt.“
„Und wieso habe ich mir das Herz nicht auch gleich dort besorgt?“
Ich lachte. „Der labile Mikanuda allein in einem fremden Land, betraut mit einer so schwierigen Aufgabe? Das wäre viel zu riskant gewesen. Außerdem haben Sie hier, im Gegensatz zum Osten, den entsprechenden Einfluss, für den Fall, dass etwas schiefläuft. Und wie es scheint, haben Sie diesen Einfluss auch geltend gemacht.“
„Ich wiederhole mich“, sagte Steinkopf. „Wovon, um alles in der Welt, reden Sie?“
„Als Mikanuda bemerkte, dass er seinen Zigarillostummel in Stefans Wohnung vergessen und ich davon Fotos gemacht hatte, geriet er in Panik. Er hat mich überfallen und mir die Fotos gestohlen. Dabei beweisen diese Fotos gar nichts. Nur der Stummel hätte Mikanuda zum Verhängnis werden können. Und hätte er sich ruhig verhalten, wäre ich ihm nie auf die Schliche gekommen. Aber das ist das Problem bei Irren: Sie handeln selten rational.“
„Eine faszinierende kleine Geschichte“, sagte Steinkopf mit betont gelangweilter Stimme. „Aber wenn dieser Zigarillostummel so wichtig ist, hat die Polizei doch sicher schon begonnen, Nachforschungen darüber anzustellen, von wem er stammt, oder?“
„Eine gute Frage“, sagte ich. „Nur weiß man seltsamerweise bei der Polizei weder von einem Stummel am Tatort noch gibt es ein Foto, auf dem dieser zu sehen ist.“
Steinkopf lächelte schelmisch und fragte: „Wie erklären Sie sich das?“
„Schlamperei oder Einflussnahme. Ich tendiere zu Nummer zwei.“
„Sie glauben, ich hätte dafür gesorgt, dass das Beweismaterial verschwindet?“
„Wäre doch möglich, oder? Sie waren früher Sicherheitssprecher in Ihrer Partei, und ich glaube, wenn ich unsere Archive durchforste, finde ich einen Beweis, dass Sie und Chefinspektor Wachtelgruber einander kennen.“
„Ich kenne viele Leute“, sagte Steinkopf. „Das bringt die Arbeit als Politiker so mit sich.“ Er schraubte gemächlich die Kappe von seinem Füller, holte einen kleinen, elfenbeinfarbenen Zettel aus seiner Schreibtischschublade und kritzelte etwas darauf, das ich nicht lesen konnte. Dann faltete er den Zettel zusammen, lehnte sich zurück und musterte mich mit spöttischem Gesichtsausdruck. „Wissen Sie“, sagte er, „nach Ihrem Anruf habe ich mir wirklich Sorgen gemacht. Sie und Ihresgleichen, Sie wühlen im Schlamm und leben vom Dreck. Und wenn Sie keinen Dreck finden, dann erfinden Sie eben welchen.“ Er schüttelte vergnügt lächelnd den Kopf. „Aber jetzt? Jetzt weiß ich, dass Sie nichts in der Hand haben. Meine Geheimnummer hätte ich Mikanuda schon vor Jahren geben können, als wir noch in Kontakt standen. Oder er hat sie von irgendjemand anderem bekommen. Beweisen
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