Malory
HEYNE ALLGEMEINE REIHE
NR. 01/12046
Vivian und Bill Walje, meinen Stiefeltern, gewidmet Titel der Originalausgabe
TENDER REBELL
Umwelthinweis:
Dieses Buch wurde auf
chlor- und säurefreiem Papier gedruckt.
Copyright © 1986 by Johanna Lindsey
Copyright © der deutschen Ausgabe 1990
by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Printed in Germany 1999
Umschlagillustration: Pino Daeni/Agentur Schlück Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München Gesamtherstellung: Eisnerdruck, Berlin
ISBN: 3-453-15385-5
http:\\ww w.heyne.de
Kapitel 1
ENGLAND 1818
»Sorgen, Mädchen?«
Roslynn Chadwick wandte sich vom Fenster der Kutsche ab, aus dem sie die letzte Stunde gestarrt hatte, ohne jedoch die Landschaft wahrzunehmen. Ob sie sich Sorgen machte? Sie stand jetzt ganz allein auf der Welt, ohne Familie, ohne jedweden Schutz. Alles Vertraute hatte sie hinter sich gelassen, und vor ihr lag eine ungewisse Zukunft. Sie war nicht nur besorgt - sie hatte Angst.
Aber das brauchte Nettie MacDonald nicht zu wissen.
Nettie fühlte sich selbst alles andere als wohl in ihrer Haut, seit sie gestern morgen die Grenze nach England überquert
hatten,
obwohl
auch
sie
das
zu
verbergen
suchte - hinter ihrer üblichen Maske von Verdrossen-heit. Zuvor war sie ganz fröhlich gewesen, sogar während der Fahrt durch die Lowlands, die sie verabscheute.
Nettie
hatte
ihr
ganzes
bisheriges
Leben
-
immerhin
zweiundvierzig Jahre - in ihren geliebten Highlands verbracht und nicht einmal im Traume daran gedacht, daß sie eines Tages gezwungen sein könnte, ihre Heimat zu verlassen, geschweige denn, englischen Boden zu betreten. England! Aber zurückgeblieben wäre sie um keinen Preis, nein, nicht die liebe Nettie!
Roslynn zwang sich zu einem Lächeln, um ihre Zofe zu beruhigen. »Ach wo, worüber sollte ich mir denn Sorgen
machen,
Nettie?
Haben
wir's
nicht
großartig
ge-
schafft, uns in finsterer Nacht aus dem Staub zu machen?
Geordie wird uns wochenlang in Aberdeen und Edin-burgh suchen und nie auf die Idee kommen, daß wir uns nach London abgesetzt haben«, erklärte sie in breitem schottischem Dialekt.
»So ist es«, bestätigte Nettie, und ihr Gesicht hellte sich auf. Sie vergaß vorübergehend sogar ihre Abneigung gegen die Engländer, denn ihre Abneigung gegen Geordie Cameron war noch viel größer. »Und ich hoff nur von ganzem Herzen, daß dieser Dreckskerl vor Wut platzt, wenn er feststellt, daß du ihm entkommen bist.
Ich war ja alles andere als begeistert über das Versprechen, das Duncan - Gott hab ihn selig! - dir abgenommen hat, aber er hat genau gewußt, was das Beste für dich ist. Und glaub ja nicht, Mädchen, daß ich nicht merke, wenn du dein korrektes Englisch vergißt, wo Duncan es dir doch extra 7on dieser eingebildeten Pute von Lehrerin hat beibringen lassen. Du mußt darauf achten, besonders jetzt, wo wir mitten unter dieser Teufelsbrut stecken.«
Roslynn grinste nur über Netties Schelte. »Wenn ich einen Engländer sehe, ist es noch früh genug, mich an mein korrektes Englisch zu erinnern. Du wirst mir doch wohl noch das letzte bißchen Zeit gönnen, in der ich nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen brauche, oder?«
»Hmm!« brummte Nettie. »Ich weiß genau, daß du's nur vergißt, wenn du aufgeregt bist.«
Natürlich wußte Nettie das. Sie kannte Roslynn durch und durch. Am häufigsten verfiel Roslynn in den schottischen Dialekt, den sie von ihrem Großvater und Nettie aufgeschnappt hatte, wenn sie in Wut geriet; das war im Augenblick zwar nicht der Fall, aber aufgeregt war sie tatsächlich - und sie hatte allen Grund dazu.
»Ich hoffe nur, daß das Gepäck angekommen ist«, sagte sie seufzend, »andernfalls werden wir ganz schön in der Klemme sitzen.«
Sie
hatten
nur
ganz
wenige
Kleidungsstücke
mitge-
nommen, um Roslynns Vetter Geordie zu überlisten -
für den Fall, daß jemand sie aufbrechen sah, und ihm davon erzählte.
»Das braucht nun wirklich deine geringste Sorge zu sein, Mädchen. Es war eine gute Idee von Duncan, diese Londoner Modistin nach Cameron Hall zu holen und dir all die schönen Kleider machen zu lassen, damit wir dich nicht
erst
in
London
ausstaffieren
müssen.
Gott
sei
Dank, daß Duncan an alles gedacht hat, sogar daran, das Gepäck vorauszuschicken - und nie zuviel auf einmal, damit Geordie keinen Verdacht schöpfen konnte.«
Und Nettie hatte es für einen herrlichen Streich gehalten, mitten in der Nacht das Weite zu suchen -
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