Leipziger Affären - Kriminalroman
Seit Kommerings Drohung schwankte er, ob er seinen Plan wirklich durchführen sollte. Konnte er es riskieren, bei Alexa einzubrechen, oder würde ihm das endgültig die Entlassung bescheren? Noch nie war er so unsicher gewesen wie jetzt.
»Siehst du da draußen etwas Spannendes?« Erika stellte sich barfuß und im Nachthemd neben ihn.
»Ich denke nach.«
»Aha.«
Er legte den Arm um sie, und sie kuschelte sich an ihn.
»Mein Fall ist ziemlich verzwickt«, sagte Henne leise. »Ich weiß einfach nicht weiter.«
»Ich dachte, er wäre gelöst.«
»Schuster hat mich suspendiert.«
Erika machte sich los und sah ihn überrascht an. »Erzähl es mir.« Sie zog ihn zur Couch. Dann ging sie zum Barschrank und füllte zwei Gläser mit Meißner Obstbrand. »Vielleicht spricht es sich damit leichter.«
Henne berichtete, was sich seit dem Fund der Leiche zugetragen hatte. Er ließ nichts aus, beschönigte nichts, auch nicht die Sache mit Miriam. Als er endete, war die Flasche nur noch halb voll, und er suchte in Erikas Gesicht nach einem Zeichen, was sie wohl denken mochte.
Erika hockte ihm wie erstarrt gegenüber.
»Warum sagst du nichts?« Henne griff erneut zur Flasche.
Eine Träne rann Erikas Wange hinunter, eine weitere folgte und noch eine, und dann weinte sie richtig.
Henne konnte nicht verhindern, dass bei ihrem Anblick sein Gedicht in ihm sang: Den Flusse hoch und runter tummelt ein Schwall sich munter … Lachen stieg in ihm auf und schlug in ein Schluchzen um. Er stand auf, schwankte und ging vor ihr auf die Knie. »Ich bin ein Esel«, flüsterte er und umschlang sie.
Die ganze Qual brach sich Bahn: Erika, Miriam, Schuster, der Job. Er klammerte sich an sie.
Sie schob ihn von sich weg. »Zuerst musst du dir über deine Gefühle klar werden.«
»Das bin ich. Ich liebe dich.« Henne nahm ihre Hand.
Traurig sah sie ihn an. »Du bist voreilig, mein Lieber.«
»Ich weiß genau, ich liebe nur dich.«
»Wirst du diese Frau wiedersehen?«
»Ich nehme es an, aber rein dienstlich.«
»Du bist nicht mehr im Dienst.«
Natürlich hatte sie recht, doch er war überzeugt, dass er noch immer Polizeiarbeit leistete. Er ermittelte, er kombinierte, er zog Schlüsse. Aus Erikas Mund klang die Wahrheit viel grausamer als bei Schuster. »Verdammt, ich will diesen Fall lösen. Pallauer wird es vermasseln. Am Ende läuft draußen ein Mörder ungestraft herum.«
»Was, wenn es diese Miriam Jakob war?«, fragte Erika. Ihre Stimme war sanft, aber ihre Augen glitzerten hart.
Wieder hatte sie ihn überrascht. Er zögerte. Aber selbst wenn er alle persönlichen Gefühle beiseiteließ, sagte der Kommissar in ihm, dass Miriam keine Mörderin war.
»Schon gut, spar dir die Antwort.« Erika atmete tief ein und aus. Langsam erhob sie sich und ging zur Tür.
»Erika!«
Sie verschwand im Schlafzimmer. Der Schlüssel knirschte im Schloss. Sie hatte ihn ausgesperrt.
Trübsinnig machte Henne sich über den restlichen Obstler her. Gegen Morgen fiel er in einen unruhigen Schlaf. Er träumte, dass Mayerwill und Erika ihn durch Königs Wohnung jagten, beide in blutrote Korsagen und Strapse mit roten Strümpfen gekleidet. In der Küche hockte Schuster nackt auf der Spüle. Er flüchtete ins Bad, wo Miriam auf ihn wartete und ihm ihre nasse Unterwäsche ins Gesicht schleuderte. Kaum hatte er sie beiseitegeschoben, traf sie ihn erneut. Er drehte den Kopf zur Seite und griff nach der Wäsche.
Ein Japsen und Hecheln drang an sein Ohr. Die Wäsche fühlte sich auf einmal pelzig an, wie Fell. Henne blinzelte einige Male, dann öffnete er mühsam die Augen und schaute direkt in Dschingis' Schnauze. Die Hundezunge schnellte hervor und wischte über seine Nase. Unwillig schob er den Hund von sich. Henne schluckte, sein Hals war rau, der pelzige Geschmack erinnerte ihn an den Obstler.
Er schaute auf seine Armbanduhr. Die Zeiger verschwammen, er kniff die Augen zusammen und riss sie gleich darauf wieder auf. Kurz nach zehn. Er sollte ausgeruht sein, doch er fühlte sich wie zerschlagen.
Stöhnend kam Henne auf die Beine und tastete sich ins Badezimmer. Erleichtert ließ er sich dort auf die Toilette fallen. In seinem Kopf marschierte eine Terrakottasoldaten-Armee im Gleichschritt herum.
Die Dusche hatte jegliche Verlockung verloren, doch er raffte sich auf und schaffte es immerhin, den Hahn aufzudrehen. Als er nackt unter dem Strahl stand, trieb ihm das kalte Wasser Tränen in die Augen, und er schnappte nach Luft.
Er fand den Hebel zur
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