Leonardo und die Verschwörer von Florenz Teil 3 von 3 (Da Vincis Fälle)
gar nicht dafür, ob es besser war, Risse und Fehler in der Wand auszubessern, bevor man zu malen begann oder sie in das Bild mit einzubauen.
Diesmal hatte im Übrigen Leonardos Vater seine Abwesenheit bemerkt. Er war früher als erwartet von seinen Geschäften bei Cosimo de’ Medici zurückgekehrt und stellte seinen Sohn nun zur Rede.
„Wo bist du gewesen?“
„Das Haus ist groß Vater!“
„Aber du kannst hier nicht einfach herumstreunen und dich verstecken. Was glaubst du wohl, welche Sorgen ich mir gemacht habe!“
„Das tut mir leid!“
„Und wie du wieder riechst! Das ist unerträglich! Was sollen Lucas Eltern von uns denken? Also irgendwie klingt das für mich nicht sehr überzeugend, dass du einfach nur im Haus herumgestreift bist!“
Abends lag Leonardo noch lange wach im Bett. Immer wieder sah er das Bild des Paters vor sich. Dieser Blick, mit dem Pater Rigoberto ihn angesehen hatte, war so seltsam gewesen. So, als wollte er dauernd sagen: Warum erkennst du denn nichts? Fällt es dir nicht langsam wie Schuppen von den Augen?
Leonardo versuchte zu schlafen. Aber das war unmöglich. Also saß er im Bett und dachte nach. Die Malerei auf großen Wänden, wie Pater Rigoberto sie betrieb, hatte ihn stark fasziniert und vielleicht war es wirklich keine schlechte Idee, sobald wie möglich in einer Malerwerkstatt einzutreten.
Immer wieder sah er die Gesichter des Gemäldes aus Pater Rigobertos Kirche vor sich. Michele D’Andrea als Hauptmann, Enrico Scirea als einer seiner Soldaten, ein Mann, der die Hände ans Gesicht hielt und ein Gesicht, in dem sich eine fingerlange Delle befinden würde…
Eine Narbe!, dachte Leonardo.
Und dann sprang er plötzlich auf. „Ich habe es!“, rief er. „Der Fall ist gelöst! Er ist gelöst!“
Carlo und Luca, die schon fast eingeschlafen waren, quälten sich unter ihren Bettdecken hervor.
„Bist du noch ganz bei Trost?“, fragte Carlo.
„Natürlich bin ich das! Ich weiß jetzt, wie alles zusammenhängt!“
Carlo und Luca setzten sich in ihren Betten auf. „Na los, dann erzähl schon!“, forderte Luca. „Aber ich hoffe für dich, dass du nicht umsonst so einen Wind gemacht hast!“
„Es ist ganz einfach und es war die ganze Zeit vor meinen Augen, aber ich habe es nicht gesehen“, meinte Leonardo und klatschte sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Ich muss blind gewesen sein!“
Carlo gähnte. „Vielleicht kommst du jetzt mal zur Sache, sonst schlafe ich gleich wieder ein und verpasse deine Auflösung des Falles!“
Leonardo atmete tief durch. „Also hört zu! Dieser Pater Rigoberto durfte das Beichtgeheimnis nicht brechen – und zwar unter keinen Umständen. Bartolo hat sich ihm anvertraut und wahrscheinlich alles haarklein gebeichtet. Der war so erschrocken, als ich mich sah und dann nicht finden konnte, dass er wohl schon glaubte, für ihn wäre der Tag des jüngsten Gerichtes oder so etwas gekommen! Und Pater Rigoberto hat es natürlich stark belastet, dass er durch sein Schweigen gezwungen war, diesem Verbrecher zu helfen.“
„Das war alles!“, stellte Luca fest. „Aber die Frage ist doch, wie wir aus diesem Dilemma herauskommen können, wenn Pater Rigoberto sich einfach weigert zu reden!“
Leonardo lächelte. „Er hat die ganze Zeit über geredet. Nur nicht mit Worten, dass durfte er nicht.“
„Und wie dann?“, fragte Luca.
„Mit seinem Bild! Ich hätte viel früher darauf kommen müssen! Michele D’Andrea ist der Anführer der Gruppe. Er hat den Auftrag gegeben! Darum hat Pater Rigoberto ihn als Hauptmann der Römer dargestellt.“
„Aber ist ein Freund unserer Familie!“, meinte Luca.
„Offenbar doch nicht! Zusammen mit Enrico Scirea und wahrscheinlich noch einigen anderen Kaufleuten hat er versucht, deinen Vater zu ruinieren, Luca! Natürlich war er immer bestens über alles informiert, was dein Vater zu unternehmen versucht hat! Er saß bei ihm am Tisch und war in alles eingeweiht… Der Mann, der seine Hände vor das Gesicht nahm – das war einer der Einbrecher, dem ich Asche ins Gesicht geschüttet habe! Bartolo muss dem Pater auch das haarklein geschildert haben.“
„Das heißt, dieser Bartolo war auch einer der Einbrecher!“, schloss Luca. „Sonst hätte er nicht wissen können, dass du einem der Männer Asche ins gestreut hast.“
Leonardo nickte. „Ja, das ist wahr.“
„Aber das ist doch alles kein Beweis!“, meinte Carlo.
„Doch. Die Delle in der Wand ist Bartolos Narbe! Ich bin
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